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28.10.2011
Unternehmensteuer

BFH: RAP bei Darlehen mit fallenden Zinssätzen

Sachverhalt

Streitpunkt ist, ob der Darlehensnehmer bei Vereinbarung fallender Zinssätze zu Beginn der Vertragslaufzeit einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten (RAP) bilden muss.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ein Kreditinstitut, nahm bei der X-Bank sog. Step-down-Gelder auf, die mit fallenden Zinssätzen verzinst wurden. Im Streitjahr 1999 handelte es sich um ein Darlehen mit einer Laufzeit von 1999 bis 2009. Es wurden fallende Zinssätze beginnend mit 7,5 % in 1999 und endend mit 3,0 % in 2009 vereinbart. Die Rückzahlung des Darlehens sollte nach den vertraglichen Vereinbarungen am Ende der Laufzeit in einer Summe erfolgen; eine ordentliche Kündigung des Darlehens vor Fälligkeit wurde ausgeschlossen, die Auflösung des Darlehensvertrags sollte nur im gegenseitigen Einvernehmen möglich sein. Die Klägerin setzte die im Streitjahr 1999 geleisteten Zinszahlungen als laufende Betriebsausgaben an. Das Finanzamt war der Auffassung, die Klägerin müsse in ihrer Bilanz zum 31.12.1999 einen RAP aktivieren, weil es sich bei der Überlassung der Darlehensvaluta um eine über die Laufzeit des Darlehens gleichbleibende Leistung handele und deshalb die von der Klägerin zu zahlenden Zinsen gleichmäßig auf die Laufzeit zu verteilen seien. Die deswegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG entschied, dass kein aktiver RAP zu berücksichtigen ist. Hiergegen hat das Finanzamt Revision eingelegt.

Entscheidung

Das Finanzamt hat zu Recht für die im Streitjahr gezahlten Darlehenszinsen einen aktiven RAP angesetzt.

Für Ausgaben vor dem Abschlussstichtag sind auf der Aktivseite RAP anzusetzen, soweit sie Ausgaben für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen (§ 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG). Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag liegt vor, wenn einer Vorleistung eine noch nicht erbrachte zeitraumbezogene Gegenleistung gegenübersteht. In Bezug auf die von der Klägerin im Streitjahr entrichteten Darlehenszinsen mit dem Zinssatz von 7,5 % ist somit die Frage zu beantworten, ob die Zinsen zu einem Teil - nämlich soweit sie den auf die gesamte Vertragslaufzeit entfallenden rechnerischen Durchschnittszinssatz übersteigen - als Vorleistung für die Überlassung der Darlehensvaluta in der restlichen Darlehenslaufzeit anzusehen sind. Die Frage ist - entgegen der Auffassung des FG - zu bejahen.

Nach der BFH-Rechtsprechung ist maßgeblich, ob der Empfänger die Leistung im Falle einer Beendigung des Vertragsverhältnisses vor Ablauf der Vertragslaufzeit behalten dürfte oder ob er sie zurückerstatten müsste (BFH-Urteil vom 12.08.1982). Der Vorleistungscharakter ist zu bejahen, wenn der Empfänger die Leistung bei vorzeitiger Vertragsbeendigung zeitanteilig zurückzuzahlen hat (BFH-Beschluss vom 07.04.2010, BFH-Urteil vom 19.05.2010). Darf der Empfänger die Leistung hingegen im Falle der vorzeitigen Vertragsbeendigung behalten, ist das jedenfalls ein gewichtiges Indiz gegen die Zeitraumbezogenheit der Gegenleistung (vgl. BFH-Urteil vom 22.06.2011). Allerdings führt die fehlende Rückforderbarkeit der Leistung im Falle einer (gedachten) Beendigung des Vertragsverhältnisses vor Ablauf der Vertragslaufzeit nicht ausnahmslos zur Verneinung der Rechnungsabgrenzung. Die fehlende Rückforderbarkeit kann dann kein Kriterium für die Verneinung eines Bezugs zu einer erst in künftigen Zeiträumen zu erbringenden Gegenleistung sein, wenn das Vertragsverhältnis auf mehrere Jahre zu festen Bedingungen abgeschlossen ist und während dieser Zeit nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann und wenn konkrete Anhaltspunkte dafür fehlen, dass die Vertragsparteien der Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung aus wichtigem Grund und dem Fehlen eines Anspruchs auf teilweise Rückforderung bisher gezahlter Zinsen in diesem Falle eine mehr als rein theoretische Bedeutung beigemessen haben.
Vom Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls muss hier ausgegangen werden: Der Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und der X-Bank wurde für zehn Jahre fest vereinbart und ist auf eine in jedem Jahr seiner Laufzeit gleichbleibende Leistung der Darlehensgeberin gerichtet. Die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung wurde für beide Vertragsseiten ausgeschlossen. Eine Möglichkeit der Kündigung aus wichtigem Grund wurde vertraglich nicht festgelegt.

Betroffene Norm

§ 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG
Streitjahr 1999

Vorinstanz

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.12.2009, 6 K 1918/07, EFG 2011, S. 61, siehe Deloitte Tax-News

Fundstelle

BFH, Urteil vom 27.07.2011, I R 77/10, BStBl II 2011, S. 915 

Weitere Fundstellen

BFH-Urteil vom 12.08.1982, IV R 184/79, BStBl II 1982, S. 696
BFH, Beschluss vom 07.04.2010, I R 77/08, BStBl 2010, S. 739, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 19.05.2010, I R 65/09, BStBl II 2010, S. 967, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 22.06.2011, I R 7/10, BStBl II 2011, S. 870

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