Die Begrenzung des Schuldzinsenabzugs (§ 4 Abs. 4a EStG) ist betriebsbezogen auszulegen. Jede Überführung oder Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem betrieblichen Bereich des Steuerpflichtigen in einen anderen betrieblichen Bereich desselben oder eines anderen Steuerpflichtigen stellt grundsätzlich eine Entnahme beim abgebenden und eine Einlage beim aufnehmenden Betrieb i.S. des § 4 Abs. 4a EStG dar. Die geänderte betriebsvermögensmäßige Zuordnung eines Wirtschaftsguts während des Bestehens einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung löst jedoch keine Überentnahme aus, solange sie zum Buchwert und damit ohne Gewinnrealisierung erfolgt ist.
Streitig ist, ob die geänderte Zuordnung eines Wirtschaftsguts nach Begründung einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung eine Überentnahme (§ 4 Abs. 4a EStG) auslösen kann.
An dem Gesellschaftsvermögen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH & Co. KG, war zunächst als alleiniger Kommanditist V beteiligt. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die V-GmbH, deren Alleingesellschafter V war. V war ferner Alleineigentümer verschiedener Grundstücke, welche an die Klägerin verpachtet sind und auf denen diese ihr Unternehmen betreibt. Die Grundstücke wurden im Sonderbetriebsvermögen des V bei der Klägerin erfasst. In 2000 übertrug V je ein Fünftel seines Kommanditanteils an der Klägerin und ein Fünftel seines Gesellschaftsanteils an der V-GmbH sowie einen Miteigentumsanteil von je einem Fünftel der verpachteten Grundstücke unentgeltlich auf seine beiden Kinder. Die Grundstücke wurden von der von V und den Kindern errichteten Grundstücksverwaltungsgesellschaft (GbR) an die Klägerin verpachtet. An dem Gesellschaftsvermögen der GbR sind V mit drei Fünfteln und die Kinder mit je einem Fünftel beteiligt. Die GbR führte in ihrer Bilanz die Grundstücke mit den Werten fort, die V in seiner Sonderbilanz angesetzt hatte. In 2002 haben V und die Kinder die Miteigentumsanteile in das Gesamthandsvermögen der GbR eingebracht.
Die Klägerin zog in 2002 Zinsen für "kurzfristige Verbindlichkeiten" als Betriebsausgaben ab. Das Finanzamt erkannte die Schuldzinsen nur in Höhe des Mindestabzugs von 2.050 Euro (§ 4 Abs. 4a S. 3 EStG) an. Zu den Entnahmen i.S. von § 4 Abs. 4a S. 2 EStG gehöre auch die im Kalenderjahr 2000 vorgenommene Überführung der Grundstücke in das Gesellschaftsvermögen der GbR. Das FG wies die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage als unbegründet ab.
Die Klägerin kann die Schuldzinsen für "kurzfristige Verbindlichkeiten" in voller Höhe als Betriebsausgaben abziehen, da sie in dem Streitjahr 2002 und den drei vorangegangenen Wirtschaftsjahren keine Überentnahmen (§ 4 Abs. 4a S. 1 und 2 EStG) getätigt hat.
Schuldzinsen sind nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind (§ 4 Abs. 4a S. 1 EStG). Eine Überentnahme ist der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen (§ 4 Abs. 4a S. 2 EStG).
Der BFH legt diese Begrenzung des Schuldzinsenabzugs ausschließlich betriebsbezogen aus. Hat der Steuerpflichtige daher mehrere Betriebe oder ist er an mehreren Personengesellschaften beteiligt, ist der Schuldzinsenabzug für jeden Betrieb bzw. Mitunternehmeranteil eigenständig zu ermitteln (BFH-Urteil vom 29.03.2007). Somit stellt grundsätzlich jede Überführung oder Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem betrieblichen Bereich des Steuerpflichtigen in einen anderen betrieblichen Bereich desselben oder eines anderen Steuerpflichtigen eine Entnahme beim abgebenden und eine Einlage beim aufnehmenden Betrieb i.S. des § 4 Abs. 4a S. 2 EStG dar (BMF-Schreiben vom 17.11.2005).
Eine Entnahme bzw. eine Einlage i.S. des § 4 Abs. 4a EStG liegt indes nicht vor, soweit ein Betrieb oder Mitunternehmeranteil gemäß § 6 Abs. 3 EStG unentgeltlich übertragen worden ist. Denn bei der unentgeltlichen Betriebs- oder Mitunternehmeranteilsübertragung rückt der Rechtsnachfolger in die Rechtsposition des Rechtsvorgängers ein. Die beim bisherigen Betriebsinhaber entstandenen Über- oder Unterentnahmen gehen auf den Rechtsnachfolger über (BMF-Schreiben vom 17.11.2005).
Entsteht - wie im Streitfall - infolge einer unentgeltlichen Übertragung von Mitunternehmeranteilen und der damit einhergehenden Übertragung von Miteigentumsanteilen an wesentlichen Betriebsgrundlagen, die zuvor im Sonderbetriebsvermögen des Übertragenden standen, eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung, liegt eine Bilanzierungskonkurrenz vor. Die verpachteten wesentlichen Wirtschaftsgüter erfüllen sowohl die Voraussetzungen für Sonder- bzw. Betriebsvermögen bei der Besitzpersonengesellschaft als auch für Sonderbetriebsvermögen bei der Betriebspersonengesellschaft. Aus der mittlerweile ständigen Rechtsprechung folgt, dass die Bilanzierungskonkurrenz zu Gunsten der Besitzpersonengesellschaft zu lösen ist. Die wesentlichen Wirtschaftsgüter sind daher bei der Besitzpersonengesellschaft zu bilanzieren. Es findet mithin ein Zuordnungswechsel statt. Die wesentlichen Betriebsgrundlagen sind im Zeitpunkt der Entstehung der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung, der mit dem Zeitpunkt der Übertragung des Anteils am Mitunternehmeranteil einschließlich des Sonderbetriebsvermögens zusammenfällt, im Betriebs- bzw. Sonderbetriebsvermögen bei der Besitzpersonengesellschaft zu erfassen. Die geänderte betriebsvermögensmäßige Zuordnung von Wirtschaftsgütern während des Bestehens einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung unterfällt jedoch so lange nicht dem Regelungsbereich des § 4 Abs. 4a EStG, als sie zum Buchwert und damit ohne Gewinnrealisierung erfolgt ist. Die geänderte Zuordnung von Wirtschaftsgütern stellt in diesem Fall weder eine Entnahme beim abgebenden Betrieb noch eine Einlage beim aufnehmenden Betrieb i.S. des § 4 Abs. 4a S. 2 EStG dar. Der Behandlung als Entnahme/Einlage steht entgegen, dass die Wirtschaftsgüter während des Bestehens der mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung latentes Sonderbetriebsvermögen der Betriebspersonengesellschaft bleiben, welches mit der Beendigung der Betriebsaufspaltung wieder auflebt.
Auch die im Streitfall erfolgte Übertragung der Miteigentumsanteile an den Grundstücken aus dem Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmer in das Gesamthandsvermögen der GbR in 2002 führte nicht zu einer Entnahme i.S. des § 4 Abs. 4a EStG. Die unentgeltliche Übertragung erfolgte ebenfalls zwingend zum Buchwert (§ 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 EStG). Da trotz des Rechtsträgerwechsels die mitunternehmerische Betriebsaufspaltung und in deren Folge auch die Bilanzierungskonkurrenz fortbestehen, liegt eine Entnahme i.S. des § 4 Abs. 4a EStG nicht vor.
§ 4 Abs. 4a EStG
Streitjahr 2002
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19.05.2008, 12 K 85/07
BFH, Urteil vom 22.09.2011, IV R 33/08, BStBl II 2012, S. 10
BFH, Urteil vom 29.03.2007, IV R 72/02, BStBl II 2008, S. 420
BMF, Schreiben vom 17.11.2005, IV B 2 -S 2144- 50/05, BStBl I 2005, S. 1019
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