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URL: http://www.deloitte-tax-news.de/transfer-pricing/bmf-keine-korrektur-nach-1-astg-innerhalb-der-eu-bei-sanierungsbedingten-massnahmen.html
15.01.2019
Transfer Pricing

BMF: Keine Korrektur nach §1 AStG innerhalb der EU bei sanierungsbedingten Maßnahmen

Der EuGH hält die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit durch §1 AStG nur dann für zulässig, wenn es dem betroffenen Steuerpflichtigen offen steht, sein Abweichen vom Fremdvergleichsgrundsatz mit „wirtschaftlichen Gründen“ zu rechtfertigen. Das BMF hat reagiert und räumt Steuerpflichtigen die Möglichkeit ein, bei EU-Sachverhalten das Abweichen vom Fremdvergleichsgrundsatz mit der Sanierungsbedürftigkeit der Unternehmensgruppe oder der betroffenen nahestehenden Person zu rechtfertigen.

Hintergrund

Da §1 AStG nur für grenzüberschreitende Sachverhalte zur Anwendung kommt, können sich bei bestimmten Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen im grenzüberschreitenden Kontext ungünstigere Rechtsfolgen ergeben als bei ansonsten identischen Geschäftsbeziehungen im innerstaatlichen Kontext.

Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Sachverhalt nach § 1 AStG korrigiert würde, er aber innerdeutsch bei Kapitalgesellschaften nicht durch eine verdeckte Gewinnausschüttung bzw. eine verdeckte Einlage erfasst wird. Beispiele sind verbilligte oder unentgeltliche Dienstleistungen oder verbilligte bzw. unentgeltliche Bürgschaften einer inländischen Konzernobergesellschaft an eine ausländische Tochtergesellschaft. Diese Sachverhalte könnten durch eine Korrektur nach §1 AStG erfasst werden. Im Inlandsfall käme keine Korrekturnorm zum Tragen: Der verdeckten Einlage fehlt es an einem einlagefähigen Wirtschaftsgut. Der Korrektur nach § 1 AStG fehlt es am Auslandsbezug.

Eine solche Ungleichbehandlung von innerstaatlichen Sachverhalten und Sachverhalten mit Auslandsbezug löste immer wieder Fragen nach der Vereinbarkeit von §1 AStG mit der Niederlassungsfreiheit als einer der vier Grundfreiheiten der EU aus.

Neue Aussagen des EuGH zur Vereinbarkeit des §1 AStG mit der Niederlassungsfreiheit

Die oben erläuterten Bedenken thematisierte der EuGH in seinem Urteil vom 31.05.2018. Es ging hier um unentgeltliche Patronatserklärungen einer deutschen Obergesellschaft zugunsten zweier niederländischer Konzerngesellschaften. In dem Urteil machte der EuGH erneut deutlich, dass eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit zur Sicherstellung einer angemessenen Aufteilung der Besteuerungshoheit gerechtfertigt sein kann. Insofern sei eine Regelung wie §1 AStG nicht grundsätzlich europarechtswidrig, sofern eine Einkünftekorrektur danach im EU-Kontext unterbleibt, wenn der Steuerpflichtige in der Lage ist nachzuweisen, dass der Verstoß gegen den Fremdvergleichsgrundsatz wirtschaftliche (nicht-steuerliche) Gründe hat.

Diese Nachweismöglichkeit müssten die deutschen Behörden dem in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen ohne übermäßige Verwaltungszwänge einräumen. Dabei seien auch wirtschaftliche Gründe anzuerkennen, die sich aus der Stellung des Steuerpflichtigen als Gesellschafter der gebietsfremden Gesellschaft ergeben.

Diese Zulassung von Begründungen, die im Gesellschafterverhältnis liegen, erzeugte bei den Rechtsanwendern erhebliche Verunsicherung, da §1 AStG von Steuerpflichtigen ja gerade verlangt, das Gesellschafterverhältnis der beteiligten Parteien auszublenden und zu ermitteln, welche Bedingungen unverbundene Parteien (also Parteien ohne wesentliche gesellschaftsrechtliche Verbindungen) in einer vergleichbaren Situation vereinbart hätten.

Mögliche Tragweite des Urteils

Auf Basis des Urteils besteht daher nun insbesondere Unklarheit darüber, welche Arten von „wirtschaftlichen Gründen“ aus dem Gesellschafterverhältnis die deutsche Finanzverwaltung anerkennen würde und ob §1 AStG für konzerninterne Transaktionen innerhalb der EU in Zukunft nur noch dazu dienen könnte, rein künstliche Gestaltungen zu verhindern.

Daher wurde mit Spannung erwartet, ob und wie der deutsche Gesetzgeber auf die EuGH-Entscheidung reagieren würde. Eine klare Reaktion wurde von vielen Beobachtern erwartet, da die deutschen Verrechnungspreisregelungen im Allgemeinen und §1 AStG im Speziellen bisher gerade keine explizite Möglichkeit für Steuerpflichtige vorsahen, fremdunübliche Konditionen mit Gründen, die in dem Gesellschafterverhältnis liegen, zu rechtfertigen.

In der Fachliteratur wurde sowohl eine mögliche gesetzgeberische Ausdehnung des Anwendungsfeldes der Regelungen des §1 AStG auf innerstaatliche Sachverhalte diskutiert als auch des Anwendungsgebietes der verdeckten Einlage auf nicht einlagefähige Nutzungsvorteile (siehe z.B. Greil/ Schreiber, DB 2018, Nr. 42, S. 2534).

Verwaltungsanweisung

Mit dem BMF-Schreiben vom 06.12.2018 liegt nun eine erste Reaktion des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vor. Darin stellt das BMF klar, dass eine Korrektur nach §1 AStG unterbleibt, „soweit der Steuerpflichtige sachbezogene, wirtschaftliche Gründe nachweisen kann, die eine vom Fremdvergleichsgrundsatz abweichende Vereinbarung erfordern, um die sonst bedrohte wirtschaftliche Existenz der Unternehmensgruppe als solcher oder der dem Steuerpflichtigen nahestehenden Person zu sichern (sanierungsbedingte Maßnahme).“

Als sanierungsbedingte Maßnahmen gelten hierbei solche Maßnahmen, die darauf abzielen, „die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden und den Fortbestand der nahestehenden Person bzw. der Unternehmensgruppe zu sichern.“ Hierbei hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, dass eine sanierungsbedingte Maßnahme erforderlich war (inklusive des Nachweises, dass eine Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit vorlag). Das BMF stellt in dem Schreiben darüber hinaus klar, dass diese Regelungen nur für Fallkonstellationen innerhalb der EU anwendbar sein sollen und nicht für Drittstaatenfälle.

Fazit

Mit diesem BMF-Schreiben hat die Finanzverwaltung somit Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt, in einem eng definierten Rahmen – nämlich bei Sanierungsfällen – wirtschaftliche Gründe, die im Gesellschafterverhältnis verankert sind, als Rechtfertigung für das Abweichen von dem Fremdvergleichsgrundsatz vorzubringen. Das BMF-Schreiben enthält keinerlei Aussage darüber, ob die Finanzverwaltung auch in Nicht-Sanierungsfällen „wirtschaftliche Gründe“ für ein Abweichen vom Fremdvergleichsgrundsatz akzeptieren werde und wie hiermit jeweils umzugehen sei. Vorerst scheint das BMF somit das Ziel zu verfolgen, Steuerpflichtigen keine weitergehende Anwendbarkeit der EuGH-Logik zu ermöglichen.

Da das BMF-Schreiben jedoch auf andere Fallkonstellationen nicht eingeht, ist zu erwarten, dass entweder weitere gesetzgeberische Maßnahmen getroffen werden müssen oder weitere Urteile in dieser Hinsicht folgen werden. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, sich die Bindungswirkung von BMF-Schreiben in Erinnerung zu rufen: Diese binden zwar die deutsche Finanzverwaltung, nicht jedoch Steuerpflichtige und Gerichte. Mit Spannung kann daher zunächst auch das Urteil des FG Rheinland-Pfalz erwartet werden, dass den EuGH für die Frage nach der europarechtlichen Vereinbarkeit der Regelung des §1 AStG eingeschaltet hatte und nunmehr auf der Basis der EuGH-Entscheidung sein eigenes Urteil fällen muss.

Bis auf Weiteres verbleibt somit eine durch das BMF-Schreiben nur etwas verringerte Rechtsunsicherheit, weshalb Steuerpflichtige Schlussfolgerungen für ihr Verrechnungspreismanagement sorgfältig prüfen sollten. Für die Praxis bleibt ferner mit Blick auf das BMF-Schreiben offen, wie Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit nachgewiesen werden können.

Betroffene Norm

§1 AStG

Fundstellen

BMF, Schreiben vom 06.12.2018, IV B 5 - S 1341/11/10004-09
EuGH, Urteil vom 31.05.2018 (C 382/16), siehe Deloitte Tax-News

Weiterführende Literatur

Greil/ Schreiber, DB 2018, Nr. 42, S. 2534

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