Am 01.01.2021 ist die HOAI 2021 in Kraft getreten. Das verbindliche Preisrecht ist Geschichte, flexiblere Honorargestaltungen sind die Zukunft. Dies dürfte zu einem merklichen Preiswettbewerb führen. Wir geben einen kurzen Überblick über die neuen Regelungen.
Im letzten Jahr hatten wir darüber berichtet, dass der EuGH die in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) geregelten verbindlichen Mindest- und Höchsthonorarsätze für unionsrechtswidrig erklärt hat. Dies machte eine Anpassung des nationalen Regelwerks erforderlich - die Vorgaben des EuGH sind nunmehr in nationales Recht umgesetzt. So ist am 19.11.2020 das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen und anderer Gesetze (ArchLG) in Kraft getreten. Dieses Gesetz enthält die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die HOAI. Sodann wurde mit der Ersten Verordnung zur Änderung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) die HOAI 2021 verabschiedet, die am 01.01.2021 in Kraft getreten ist. Für alle ab diesem Zeitpunkt geschlossenen Verträge über Ingenieur- und Architektenleistungen gelten nun die neuen Regelungen.
Die wichtigsten Änderungen zusammengefasst:
Zunächst wurde die in der Vorfassung enthaltene Beschränkung des Anwendungsbereichs der HOAI auf Anwender mit Sitz im Inland und im Inland zu erbringende Leistungen aufgehoben. Somit gilt die neue HOAI auch für die Erstellung von Plänen im Ausland durch ein dort ansässiges Planungsbüro.
Keine Änderung, aber doch immer wieder erwähnenswert: Gem. § 1 HOAI gilt die Verordnung für Honorare für Ingenieur- und Architektenleistungen, soweit diese von der Verordnung erfasst sind. Damit bleibt es weiterhin bei der leistungsbezogenen und nicht – oft irrigerweise angenommen – berufsbezogenen Definition des Anwendungsbereichs. Die HOAI gilt auch weiterhin nicht nur für Architekten und Ingenieure, sondern für alle, die von der HOAI erfasste Leistungen ausführen.
Kernpunkt der HOAI 2021 ist die Streichung der Mindest- und Höchstsätze für Planungsleistungen. Damit gibt es für Honorare für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren künftig keine verbindlichen Mindest- oder Höchsthonorarsätze mehr - verbindliches Preisrecht ade.
Zukünftig sind damit Honorarvereinbarungen außerhalb des von der HOAI vorgegebenen Preisrahmens möglich und die Honorare für Architekten- und Ingenieursleistungen grundsätzlich frei verhandelbar. Von den klassischen Vergütungsmodellen abweichende Honorarmodelle werden hiermit weiter an Bedeutung gewinnen – die mit Festpreisvereinbarungen, etc. bislang verbundenen Risiken einer planerseitigen Berufung auf Mindestsätze entfällt.
Die bekannten HOAI-Honorartafeln gehen mit Änderung der HOAI zwar nicht verloren, sind jedoch nicht mehr verbindlich und weisen allein Orientierungswerte aus. Der vormalige verbindliche Mindestsatz wird zu einem unverbindlichen Basishonorarsatz, der eine unverbindliche Untergrenze darstellt. Der bisherige Höchstsatz wird nunmehr als oberer Honorarsatz bezeichnet. So soll den Parteien Hilfestellung bei der künftigen Ermittlung des angemessenen Honorars geboten werden.
Und damit zu einem weiteren Kernstück der neuen HOAI: Gemäß § 7 HOAI richtet sich das Honorar nunmehr nach der Vereinbarung, die die Vertragsparteien in Textform treffen. Das bisher bestehende Schriftformerfordernis wurde aufgehoben. Es genügt nunmehr die Textform (§ 126b BGB) und somit eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist und die auf einem Datenträger abgegeben wird. Eine eigenhändige Unterschrift oder elektronische Signatur ist nicht notwendig.
Wirksame Honorarvereinbarungen können somit nunmehr beispielsweise durch Brief ohne Unterschrift, Kopien vom Original, durch Emails, unter Umständen – und obschon der Sache wohl nicht immer angemessen – sogar durch SMS oder WhatsApp-Nachricht abgeschlossen werden.
Darüber hinaus muss der Abschluss einer Honorarvereinbarung nicht mehr unmittelbar bei Auftragserteilung erfolgen. Dieser bislang maßgebliche Zeitpunkt ist mit der neuen HOAI ebenfalls gestrichen. Die Parteien sind nun in die Lage versetzt, das Honorar vor, bei oder erst nach Vertragsschluss zu vereinbaren oder das vereinbarte Honorar während der Ausführung anzupassen.
Oft wurden in der Vergangenheit Honorarvereinbarungen angegriffen und mit dem Einwand zu Fall gebracht, dass die Schriftform nicht eingehalten oder die Vereinbarung nicht unmittelbar bei der Auftragserteilung und damit nicht zum maßgeblichen Zeitpunkt erfolgt sei. Solche Streitfälle resultierten wegen des sodann geltenden Mindestsatzhonorars (anstelle der unwirksamen – pauschalen - Honorarvereinbarung) in erheblichen Honorardifferenzen, überwiegend Honorarnachforderungen. Dieses Risiko wird mit der neuen HOAI ausgeräumt. Eine erhebliche Vereinfachung, die zugleich zu einer wesentlichen Erhöhung der Rechtssicherheit beitragen dürfte – wobei es den Parteien obliegt, die Beweisbarkeit der getroffenen Vereinbarung sicherzustellen (was nicht unbedingt für Vertragsschluss per SMS oder WhatsApp-Nachricht sprechen dürfte…).
Nach Maßgabe der Neuregelung hat der Architekt oder Ingenieur seinen Auftraggeber - sofern dieser Verbraucher ist – ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass ein höheres oder niedrigeres als das die in den Honorartafeln abgebildete Honorar vereinbart werden kann. Dieser Hinweis ist spätestens mit Abgabe des Angebots des Architekten zu erteilen, und zwar in Textform. Erteilt der Architekt diesen Hinweis nicht, kann er ein Honorar nur in Höhe des Basishonorarsatzes verlangen.
Für den - wenn auch nun wohl eher seltenen - Fall, dass die Parteien die Honorarvereinbarung nicht in der erforderlichen Textform treffen, gilt für die Grundleistungen der Basishonorarsatz, also der bisherige Mindestsatz, als vereinbart. Dieser ergibt sich bei der Anwendung der Honorargrundlagen nach § 6 HOAI. Mit dieser Auffangregelung bzw. Fiktion nach § 7 Abs. 1 S. 2 HOAI schafft der Gesetzgeber zusätzliche Rechtssicherheit und trägt so zur Vermeidung von Streitigkeiten über die Honorarhöhe bei.
Im Hinblick auf die Grundleistungen und Besonderen Leistungen hat sich nichts Nennenswertes getan. Geändert hat sich allein, dass die in der Anlage 1 enthaltenen Leistungsbilder denjenigen in den Teilen 2 bis 4 der HOAI gleichgestellt und damit aufgewertet werden. Dank des Entfalls des verbindlichen Preisrechts muss unter Geltung der HOAI 2021 nicht mehr zwischen verbindlichen und unverbindlichen Leistungsbildern unterschieden werden. Auch für die nunmehr betitelten weiteren Fachplanungs- und Beratungsleistungen nach Anlage 1, wie beispielsweise die Umweltverträglichkeitsstudie, die Bauphysik, den Wärmeschutz, die Energiebilanzierung, die Raumakustik oder die Geotechnik können die Honorare frei vereinbart werden.
§ 5 Abs. 1 HOAI nennt nun nicht mehr die einzelnen Honorarzonen und deren Planungsanforderungen, sondern regelt, dass die Grundleistungen der Flächen-, Objekt- oder Fachplanungen zur Berechnung der Honorare gemäß den jeweiligen Planungsanforderungen bestimmten Honorarzonen zugeordnet werden. Ausgehend von der Honorarzone I wird ansteigend der Schwierigkeitsgrad der Planung durch die Honorarzonen eingestuft.
Schließlich wurde § 15 HOAI insoweit neu formuliert, als dass für Fälligkeiten nur noch auf die Regelungen des BGB verwiesen wird. Für die Fälligkeit von Honoraren für von der HOAI erfasste Leistungen ist damit § 650g Abs. 4 BGB heranzuziehen, für das Recht, Abschlagszahlungen zu verlangen, § 632a BGB. Da Architekten- und Ingenieurverträge ohnehin überwiegend als Werkverträge behandelt wurden, zeitigt diese Änderung wohl keine wesentlichen praktischen Folgen.
Zu beachten ist dennoch, dass gem. § 650g Abs. 4 BGB die Rechnung des Architekten so gestaltet und erteilt werden muss, dass der Auftraggeber diese auch nachvollziehen und prüfen kann. Der Auftraggeber hingegen muss beachten, dass Einwendungen gegen die Prüfbarkeit innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung erhoben und begründet werden müssen.
Das Herzstück der Änderungen liegt eindeutig in der Abschaffung des verbindlichen Preisrechts und der damit einhergehenden Flexibilisierung, die zugleich erhöhten Preiswettbewerb zur Folge haben kann – gepaart mit nunmehr möglichen Honorarvereinbarungen in Textform, die auch nach Auftragserteilung getroffen werden können. Damit bewirkt die neue HOAI eine erhebliche Vereinfachung beim Abschluss wirksamer und zugleich den Umständen des jeweiligen Einzelfalls angemessener Honorarvereinbarungen. Bei gleichwohl nur unwirksam getroffenen Honorarvereinbarungen gilt der Basishonorarsatz als vereinbart. Das alles bringt mehr Rechtssicherheit. Die neue HOAI ist damit insoweit zweifellos zu begrüßen.
Ob die neuen Regelungen tatsächlich zu einer erheblichen Erhöhung des Preiswettbewerbs beitragen werden und ob dieser gegebenenfalls negative Auswirkungen auf die Qualität der einschlägigen Leistungen hat, bleibt abzuwarten. Von weiteren Änderungen, wie zum Beispiel bei den Honorartafelwerten oder mit dem Ziel einer Aktualisierung der Leistungsbilder, hat der Gesetzgeber zunächst abgesehen. Diese stehen jedoch bereits zur Diskussion. Wir werden Sie unterrichtet halten.
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