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16.12.2021
Grundsteuer/ Grunderwerbsteuer

FG Münster: Anteilsübertragungen im Rahmen einer Umstrukturierung im Konzern mit Drittstaatenbezug

​Eine steuerbare Anteilsübertragung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG liegt auch dann vor, wenn bei einer Verlängerung der Beteiligungskette sämtliche Anteile an einer Grundbesitz haltenden Gesellschaft auf eine in einem Drittstaat gegründete 100%ige Tochtergesellschaft übertragen werden. Die grunderwerbsteuerliche Konzernklausel des § 6a S. 2 GrEStG findet keine Anwendung, da der Umstrukturierungsvorgang durch rechtsgeschäftliche Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge erfolgt ist und die Gründung der die Anteile erwerbenden Tochtergesellschaft nach dem Recht eines Drittstaats erfolgt ist. 

Sachverhalt

Eine in Irland ansässige Muttergesellschaft (A) war seit mehr als fünf Jahren über eine ebenfalls in Irland ansässige Tochtergesellschaft (B) mittelbar an weiteren Gesellschaften beteiligt, die über inländischen Grundbesitz verfügten. Im Streitjahr 2010 wurde die Klägerin nach dem Recht der Britischen Jungferninseln gegründet und in das dortige Register eingetragen. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin war die A. Kurz darauf übertrug A alle Anteile an der B gegen eine (symbolische) Gegenleistung auf die Klägerin.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Übertragung der Anteile an der B einen steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG darstelle, der auch nicht nach § 6a GrEStG befreit sei.

Entscheidung

Dem ist das FG gefolgt.

Gesetzliche Grundlagen

Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile einer Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört. Entsprechendes gilt gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG bei der Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft auf einen anderen, wenn kein schuldrechtliches Geschäft vorausgegangen ist.

Gemäß § 6a S. 1 Hs. 1 GrEStG wird die Steuer bei Umstrukturierungen im Konzern u.a. für nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbare Rechtsvorgänge aufgrund einer Umwandlung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UmwG nicht erhoben. Nach § 6a S. 2 GrEStG gilt dies u.a. für entsprechende Umwandlungen aufgrund des Rechts eines Mitgliedstaats der EU.

Vorliegen einer steuerbaren Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG

Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG sind aus Sicht des FG erfüllt. Das FG sieht es als unerheblich an, dass die A alleinige Anteilseignerin der Klägerin war und die Anteilsübertragung daher nichts daran geändert hat, dass sich die Grundstücke (nach wie vor) grunderwerbsteuerlich – auch – im Vermögen der A befanden. Entscheidend sei vielmehr, dass die Anteile an der B und damit die in deren Vermögen befindlichen Grundstücke mit der Anteilsübertragung – auch – dem Vermögen der Klägerin (erstmalig) zugeordnet wurden. Dass die A als Muttergesellschaft den bestimmenden Einfluss behielt, sei nicht von Bedeutung (vgl. auch BFH-Urteil vom 25.11.2015, II R 64/08).

Keine Anwendung der Konzernklausel des § 6a GrEStG

Der Erwerbsvorgang ist laut dem FG auch nicht nach § 6a GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit, da es sich bei dem die Grunderwerbsteuer auslösenden Vorgang nicht um eine „entsprechende Umwandlung“ aufgrund des Rechts eines EU-Mitgliedstaats i.S.d. § 6a S. 2 GrEStG handelt.

Dies folge bereits daraus, dass der nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG steuerbare Rechtsvorgang (allein) in der Übertragung der Anteile an der B auf die Klägerin liegt. Diese Anteilsübertragung erfolge im Wege der Einzelrechtsnachfolge durch rechtsgeschäftliche Übertragung. Dieser Vorgang trägt aus Sicht des FG dementsprechend keine Merkmale einer Umwandlung nach dem UmwG.

Eine andere Wertung ergebe sich auch nicht unter Einbeziehung der nur kurz zuvor erfolgten Gründung der Klägerin. Denn auch wenn man die Gründung der Klägerin und die Übertragung der Anteile als Gesamtvorgang ansehe, läge dennoch keine „entsprechende Umwandlung“ nach EU-Recht i.S.d. § 6a S. 2 GrEStG vor, da der Gründungsvorgang (als erster Schritt dieses Gesamtvorgangs) nach dem Recht der Britischen Jungferninseln (Drittstaat) erfolgt sei.

Kein Verstoß gegen EU-Recht

Nach Ansicht des FG wirft die vorgenommene Beurteilung hinsichtlich der Anwendung des § 6a GrEStG auf den vorliegenden Fall auch weder die Frage nach einem Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit noch die nach einer gegen EU-Recht verstoßenen Beihilfe auf.

Anmerkungen

Bisherige Rechtsprechung zur Anwendung der Konzernklausel des § 6a GrEStG

Wichtige (grundlegende) Fragen zur Anwendung der Konzernklausel des § 6a GrEStG sind bereits vom BFH entschieden worden (vgl. BFH-Urteile vom 21. und 22.08.2019, II R 15/19, II R 16/19, II R 17/19, II R 18/19, II R 19/19, II R 20/19, II R 21/19). Der BFH hat dabei die Regelungen sowohl für den in der Norm verwendeten Begriff des herrschenden Unternehmens als auch für die von der Steuerbegünstigung erfassten Umwandlungsvorgänge eher weit ausgelegt (siehe Deloitte Tax News). Als Reaktion auf diese Rechtsprechung haben die obersten Finanzbehörden der Länder ihren Erlass zur Anwendung des § 6a GrEStG entsprechend aktualisiert (vgl. Ländererlasse vom 22.09.2020, siehe Deloitte Tax News). Im Rahmen des oben dargestellten Verfahrens wird der BFH nun die Gelegenheit haben, weitere Fragen zu § 6a GrEStG im Hinblick auf Umwandlungsvorgänge mit Drittstaatenbezug zu klären.

Betroffene Normen

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 bzw. Nr. 4 GrEStG, § 6a GrEStG

Streitjahr 2010

Fundstelle

Finanzgericht Münster, Urteil vom 23.09.2021, 8 K 1125/17 GrE, BFH-anhängig: II R 36/21

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 25.11.2015, II R 64/08, BFH/NV 2016, S. 420, siehe Deloitte Tax-News 

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 15/19 (altes Az. II R 50/13), siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 16/19 (altes Az. II R 36/14) , siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 22.08.2019, II R 17/19 (altes Az. II R 58/14), siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 22.08.2019, II R 18/19 (altes Az. II R 62/14), siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 19/19 (altes Az. II R 63/14), siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 20/19 (altes Az. II R 53/15), siehe Deloitte Tax News

BFH, Urteil vom 21.08.2019, II R 21/19 (altes Az. II R 21/19), siehe Deloitte Tax News

Oberste Finanzbehörden der Länder, Gleich lautende Erlasse vom 22.09.2020, siehe Deloitte Tax News

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