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12.09.2017
Indirekte Steuern/Zoll

Stromsteuer: EuGH konkretisiert Steuerentlastung für chemische Reduktionsverfahren

 EuGH stellt Grad des Zusammenhangs zwischen Stromverbrauch und der chemischen Reduktion klar.

Sachverhalt

 Der EuGH hat mit Urteil vom 07.09.2017 zu einem Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichtes Düsseldorf vom 19.08.2015 zu einer wirtschaftlich bedeutsamen Steuerentlastung nach § 9 Absatz 1 Nr. 4 StromStG (vgl. Deloitte Tax-News) entschieden.

Nach dieser Vorschrift wird Unternehmen des Produzierenden Gewerbes auf Antrag die Stromsteuer für nachweislich versteuerten Strom in voller Höhe erlassen, erstattet oder vergütet, der „für chemische Reduktionsverfahren“ entnommen wurde.

§ 9 Absatz 1 Nr. 4 StromStG geht zurück auf Art. 2 Abs. 4 Buchst. b dritter Gedankenstrich der RICHTLINIE 2003/96/EG DES RATES vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (Energiesteuerrichtlinie). Danach gilt die Energiesteuerrichtlinie und die darin festgelegten Mindeststeuersätze nicht „für elektrischen Strom, der hauptsächlich für die Zwecke der chemischen Reduktion … verwendet wird“.

Der deutsche Gesetzgeber hat diese europäischen Vorgaben dadurch umgesetzt, indem er in § 9 Absatz 1 Nr. 4 StromStG eine Steuerentlastung gewährt. Ist der Entlastungstatbestand im Einzelfall einschlägig, sind im Ergebnis die Stromverbräuche von der Stromsteuer vollständig entlastet.

In dem Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Frage, ob der Strom, der als Antriebskraft für den Antrieb der Winderzeuger verwendet wurde, nach den europäischen Vorgaben der Energiesteuerrichtlinie entlastungsfähig ist. Mittels der Winderzeuger wurde Luft komprimiert, die danach in einem Hochofenprozess zur Roheisenherstellung durch chemische Reduktion von Eisenerz genutzt wird. Im Ergebnis wurde der Strom als sog. Kraftstrom verwendet.

Urteil des EuGH

 Um das Ergebnis vorwegzunehmen: der EuGH sah für den in den Winderzeugern verbrauchten Strom keinen Fall, für den die Richtlinie nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. b dritter Gedankenstrich der Energiesteuerrichtlinie nicht gilt, eine vollständige Befreiung sieht die Richtlinie für diese Art der Verwendung des Stroms nicht vor.

Der EuGH sah ausgehend von der gewöhnlichen Bedeutung des Wortlauts „Strom, der …für Zwecke der chemische Reduktion…verwendet wird“ in Art. 2 Abs. 4 Buchst. b dritter Gedankenstrich der Energiesteuerrichtlinie in der Entnahme des Stroms für den Antrieb der Winderzeuger und der chemischen Reduktion nicht den notwendigen Zusammenhang, damit der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet ist. Gleiches gilt, so der EuGH, für die Verwendung von Strom, die nicht erforderlich ist, um die chemische Reduktion erfolgreich durchzuführen.

Auch aus dem Zusammenhang und der Ziele der Vorschrift ergibt sich eine enge Interpretation des Anwendungsbereiches. So gilt Art. 2 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich Energiesteuerrichtlinie nicht für Energieerzeugnisse mit zweierlei Verwendungszweck (sog. „dual use“). Aus dieser Vorschrift lässt sich aber immerhin entnehmen, dass die Verwendung von Energieerzeugnissen bei der chemischen Reduktion als zweierlei Verwendungszweck anzusehen ist („Die Verwendung von Energieerzeugnissen bei der chemischen Reduktion, bei Elektrolysen und bei Prozessen in der Metallindustrie ist als zweierlei Verwendungszweck anzusehen.“). Daraus ergibt sich aber auch, dass die Energiesteuerrichtlinie dann Anwendung findet, wenn das Energieerzeugnis als Heiz- oder Kraftstoff eingesetzt wird, ohne dass das eingesetzte Energieerzeugnis gleichzeitig zu zweierlei Zwecken, d.h. sowohl als Heiz- oder Kraftstoff als auch zu anderen Zwecken eingesetzt wird.

Strom und Energieerzeugnisse sind aufgrund der Austauschbarkeit insoweit gleich zu behandeln. Insoweit muss der eingesetzte Strom, um nicht in den Anwendungsbereich der Energiesteuerrichtlinie zu fallen, zu einem zweierlei Verwendungszweck verwendet werden.

Allerdings lag nach den Ausführungen des EuGH dem Urteil kein derartiger Sachverhalt zugrunde. Weder dem Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Düsseldorf noch dem Vorbringen der Klägerin konnte das Gericht entnehmen, dass in der Anlage der für den Antrieb von Winderzeugern verwendete Strom auf andere Weise verwendet würde als zum Betrieb von Elektromotoren (sog. Kraftstrom), die zur Verdichtung der Umgebungsluft notwendig sind.

Von daher erfolgte der Stromeinsatz auch nicht zu einem zweierlei Verwendungszweck.

Damit ist das Vorabentscheidungsverfahren abgeschlossen. Das Finanzgericht Düsseldorf wird nunmehr das Verfahren fortsetzen und es ist damit zu rechnen, dass es die Steuerentlastung nach § 9 Absatz 1 Nr. 4 StromStG für den in den Winderzeugern verbrauchten Strom ablehnen wird.

Fazit

 Der EuGH bestätigte somit die enge Interpretation dieser Entlastungsvorschrift durch das Hauptzollamt. Dieses Ergebnis ist in der Praxis nicht selten. Unternehmen, die verschiedene Entlastungstatbestände in Anspruch nehmen, sollten für diese Fälle Vorsorge treffen. Gerade bei hohen Energiekosten besteht u.a. ein Interesse an einer Optimierung der Steuerquote und der optimalen Ausschöpfung von steuerlichen und außersteuerlichen Entlastungsmöglichkeiten, hier an einer vollständigen Entlastung von der Stromsteuer. Hohe formelle Anforderungen und kurze Antrags- und Verjährungsfristen führen zu einer nicht zu unterschätzenden Komplexität der Energie- und Stromsteuer-Compliance. Falsche oder verspätete Anträge können einer Steuerentlastung entgegenstehen.

Ende 2017 läuft die Frist für die Stellung der Entlastungsanträge für 2016 ab. Es verbleibt nicht mehr viel Zeit, die Anträge auf Steuerentlastung beim Hauptzollamt zu stellen. Die verbleibende Zeit sollte unbedingt genutzt werden, die jeweiligen Verbräuche und deren steuerliche Einordnung unternehmensintern zu prüfen und entsprechende Risikovorsorge zu treffen, um nicht im Nachgang eines solchen Verfahrens leer auszugehen.

Unser Energy-Tax-Team steht Ihnen dazu gern als Ansprechpartner zur Verfügung.

Fundstelle

 EuGH-Urteil vom 07.09.2017 (C 465/15, Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH gegen Hauptzollamt Duisburg)

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