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09.02.2023
Unternehmensteuer

BFH: Kein Abzug vorweggenommener Betriebsausgaben für Zwecke der Gewerbesteuer im Falle eines Betriebsübergangs im Ganzen

Ein Gewerbebetrieb im gewerbesteuerrechtlichen Sinne setzt die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr voraus. Vor Betriebseröffnung entstandene Betriebsausgaben sind daher gewerbesteuerrechtlich unbeachtlich. Das gilt auch bei einem Betriebsübergang im Ganzen i.S.d. § 2 Abs. 5 GewStG. 

Sachverhalt

Der Kläger pachtete einen Imbissbetrieb einschließlich Inventar von der bisherigen Betreiberin. In der Zeit zwischen Pachtbeginn und Eröffnung des Betriebs blieb der Imbiss aufgrund von Renovierungsarbeiten der angepachteten Räume durch den Kläger geschlossen. In seiner Gewinnermittlung für das Streitjahr (Zeitraum zwischen Pachtbeginn und Eröffnung des Imbissbetriebs für Gäste) wies der Kläger ein Verlust durch die vorab entstandenen Betriebsausgaben (Renovierungskosten) aus und erklärte in seiner Gewerbesteuererklärung einen Gewerbeverlust.

Das Finanzamt berücksichtigte die Aufwendungen der Renovierungsarbeiten nicht und setzte einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 0 EUR fest. Nach Auffassung des Finanzamtes ist ein Betrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes erst ab der Betriebseröffnung anzunehmen. Die vorhergehende Renovierung stelle eine gewerbesteuerrechtlich unbeachtliche Vorbereitungshandlung dar.

Hingegen waren nach dem FG die Aufwendungen bereits ab Pachtbeginn für Zwecke der Gewerbesteuer zu berücksichtigen, da ab diesem Zeitpunkt ein neu gegründeter Betrieb nach § 2 Abs. 5 GewStG vorlag. Der Zeitraum von der Betriebsgründung (Pachtbeginn) bis zum Beginn der Abgabe der Speisen und Getränken sei nach § 2 Abs. 4 GewStG als vorübergehende Unterbrechung des neu gegründeten Betriebs unschädlich.

Entscheidung

Der BFH kommt - entgegen der Auffassung des FG - zu dem Ergebnis, dass die vorweggenommenen Betriebsausgaben auch im Falle eines Betriebsübergangs im Ganzen (§ 2 Abs. 5 GewStG) beim Gewerbeertrag nicht zu berücksichtigen sind.

Grundlagen – Vorliegen eines aktiven Gewerbebetriebs

Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird (§ 2 Abs. 1 S. 1 GewStG). Unter dem Begriff „Gewerbebetrieb“ ist ein gewerbliches Unternehmen zu verstehen (§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG). Aus diesen Regelungen hat die höchstrichterliche BFH-Rechtsprechung seit jeher den Schluss gezogen, dass die Annahme eines „Gewerbebetriebs“ im gewerbesteuerrechtlichen Sinne das Vorliegen sämtlicher Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG voraussetzt (vgl. BFH-Urteile vom 24.04.1980, IV R 68/77und vom 20.11.2003, IV R 5/02).

Zu den Tatbestandsmerkmalen des § 15 Abs. 2 EStG gehört auch die (aktuelle) Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Einnahmen und Ausgaben bzw. Aufwendungen und Erträge, die vor dem Zeitpunkt anfallen, zu dem erstmals sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt werden (insbesondere vor Beginn der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr), sind daher gewerbesteuerrechtlich nicht zu berücksichtigen. Entscheidend sei, wann die Voraussetzungen, für die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich erfüllt sind (vgl. BFH-Urteile vom 22.11.1994, VIII R 44/92, vom 05.03.1998, IV R 23/97 und vom 12.05.2016, IV R 1/13).

Keine vorweggenommenen Betriebsausgaben bei der Gewerbesteuer

Nach dem BFH wirken sich vorweggenommene (vorab entstandene) Betriebsausgaben gewerbesteuerrechtlich nicht aus. Dies entspricht auch dem Wesen der Gewerbesteuer, die zum Gegenstand nur den laufenden Gewinn hat. Für die Gewerbesteuer komme es nicht auf die persönliche Steuerpflicht eines Unternehmens, sondern auf die sachliche Steuerpflicht des Steuerobjekts an; diese beginne mit dem Zeitpunkt, in dem der Betrieb in Gang gesetzt worden ist. Die Einkommensteuer als vom Leistungsfähigkeitsprinzip beherrschte Personensteuer erfasse dagegen sämtliche betriebliche Handlungen von der ersten Vorbereitungshandlung bis zur Veräußerung oder Entnahme des letzten betrieblichen Wirtschaftsguts.

Hiervon ausgehend sei der Imbissbetrieb des Klägers erst mit seiner Eröffnung für die Kundschaft (In-Gang-Setzung des Betriebs) als Steuergegenstand der Gewerbesteuer anzusehen. Bei allen vom Kläger bis zur Betriebseröffnung ausgeübten Tätigkeiten handele es sich nach dem BFH um Vorbereitungshandlungen. Solche Geschäfte, die ausschließlich auf der Erwerbsseite, nicht aber auf der Absatzseite getätigt werden, seien nicht geeignet, eine Teilnahme am Marktgeschehen zu begründen (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.1995, XI R 43-45/89). Die Ausgaben seien daher zwar einkommensteuerlich als vorweggenommene Betriebsausgaben abziehbar, gewerbesteuerlich dagegen nicht zu berücksichtigen.

Allgemeine Grundsätze gelten auch für Übergänge eines Gewerbebetriebs im Ganzen

Entgegen der Auffassung des FG enthält § 2 Abs. 5 GewStG nach dem BFH keine Ausnahme von diesen allgemeinen Grundsätzen. Nach § 2 Abs. 5 S. 1 GewStG gilt der Gewerbebetrieb als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt, wenn ein Gewerbebetrieb im Ganzen auf einen anderen Unternehmer übergeht. Der Gewerbebetrieb gilt als durch den anderen Unternehmer neu gegründet, wenn – was im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt – der nicht mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wird (§ 2 Abs. 5 S. 2 GewStG).

Nach Auffassung des BFH enthält der Gesetzeswortlaut des § 2 Abs. 5 S. 2 GewStG zwar eine Neugründungsfiktion, aber keine Fiktion hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem diese Neugründung anzunehmen ist. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung werde, so der BFH, insbesondere nicht angeordnet, dass die Zeitpunkte der Betriebseinstellung (§ 2 Abs. 5 S. 1 GewStG) und Neugründung (§ 2 Abs. 5 S. 2 GewStG) zwingend auseinanderfallen müssen (vgl. R 2.7 Abs. 1 S. 3 Gewerbesteuer-Richtlinien 2016). Daher sei es mit dem Gesetzeswortlaut ohne Weiteres vereinbar, auch in den Fällen des § 2 Abs. 5 GewStG die allgemeinen Grundsätze des Gewerbesteuerrechts für noch nicht eröffnete Gewerbebetriebe anzuwenden.
Aus der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik der Vorschrift ergibt sich nach dem BFH, dass § 2 Abs. 5 GewStG die allgemeinen Grundsätze über den Zeitpunkt des Entstehens eines gewerbesteuerrechtlichen Steuergegenstands nicht verdrängen will.

Die Frage, ob im Streitfall die Verpachtung des Imbissbetriebs als Übergang eines Gewerbebetriebs im Ganzen i.S.d. § 2 Abs. 5 GewStG qualifiziert, hat der BFH in seiner Entscheidung offengelassen, da § 2 Abs. 5 GewStG nicht zu einer Verdrängung der allgemeinen gewerbesteuerrechtlichen Grundsätze hinsichtlich der Behandlung vorweggenommener Betriebsausgaben führe.

Keine vorübergehende Betriebsunterbrechung

Nach § 2 Abs. 4 GewStG heben vorübergehende Unterbrechungen im Betrieb eines Gewerbes, die durch die Art des Betriebs veranlasst sind, die Steuerpflicht für die Zeit bis zur Wiederaufnahme des Betriebs nicht auf. Nach dem BFH erfasst die Regelung allerdings nur solche vorübergehenden Unterbrechungen, die durch die Art des Betriebs veranlasst sind (insbesondere bei Betrieben, die ihre Tätigkeit unterbrechen müssen, weil das Geschäft nach seiner Art saisonalen Schwankungen im Jahresablauf unterliegt; vgl. BFH-Urteile vom 27.07.1961, IV 234/60 und vom 07.09.2016, IV R 31/13). Vor allem aber setze eine "Unterbrechung" bereits nach dem Wortsinn voraus, dass der unterbrochene Betrieb zuvor bereits in Gang gesetzt war. Dies war beim Kläger jedoch vor der Eröffnung des Imbissbetriebs nicht der Fall. Entgegen der Auffassung des FG, lag folglich in der Übergangszeit bis zur Eröffnung des Imbissbetriebs für Gäste keine vorübergehende Betriebsunterbrechung nach § 2 Abs. 4 GewStG vor.

Betroffene Normen

§ 2 Abs. 5 S. 1, 2 GewSt

Streitjahr 2017

Anmerkung

Auch kein Verstoß gegen die EU-Grundrechte-Charta

Der Kläger hatte die Revision ergänzend auf die Berufsfreiheit und die unternehmerische Freiheit nach Art. 14, 15 der EUGrdRCH (EU-Grundrechte-Charta) gestützt. Nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 HS. 2 gilt die EUGrdRCh jedoch ausschließlich bei Durchführung des Rechts der Union. Das ist z.B. bei der harmonisierten Umsatzsteuer der Fall, nicht aber bei der unionsrechtlich nicht harmonisierten Gewerbesteuer.

Vorinstanz

Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.07.2021, 3 K 1383/20, siehe Deloitte Tax-News 

Fundstelle

BFH, Urteil vom 30.08.2022, X R 17/21, BStBl II 2023, S. 396

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 24.04.1980, IV R 68/77, BStBl. II 1980, S. 658.

BFH, Urteil vom 20.11.2003, IV R 5/02, BStBl. II 2004, S. 464.

BFH, Urteil vom 22.11.1994, VIII R 44/92, BStBl. II 1995, S. 900.

BFH, Urteil vom 05.03.1998, IV R 23/97, BStBl. II 1998, S. 745.

BFH, Urteil vom 12.05.2016, IV R 1/13, BStBl. II 2017, S. 489, siehe Deloitte Tax News 

BFH, Urteil vom 13.12.1995, XI R 43-45/89, BStBl. II 1996, S. 232.

BFH, Urteil vom 27.07.1961, IV 234/60 BStBl. III 1961, S. 470.

BFH, Urteil vom 07.09.2016, IV R 31/13, BStBl. II 2017, S. 482.

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