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07.08.2014
Thema des Monats

Wohnsitz (§ 8 AO) und gewöhnlicher Aufenthalt (§ 9 AO)

Zwingende Voraussetzung für eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland ist ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland. In einigen Fällen ist die Bestimmung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes jedoch gar nicht so ohne weiteres möglich. Aus diesem Grund sollen einige der Sonderfälle im Folgenden näher beleuchtet werden.

Gerade bei Entsendefällen sind, was den Wohnsitz oder auch gewöhnlichen Aufenthalt betrifft, die unterschiedlichsten Fallkonstellationen vorstellbar.

Der Steuerpflichtige kann seinen Wohnsitz im Heimatland aufgeben und im Gastland einen Wohnsitz begründen. Er kann aber auch seinen Wohnsitz in Heimatland beibehalten und zusätzlich im Gastland einen zweiten Wohnsitz begründen. Anstelle eines Wohnsitzes ist auch die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes möglich. Es gibt sogar Fälle, in denen der Steuerpflichtige in keinem Land einen Wohnsitz hat.

Da der Wohnsitz bzw. gewöhnliche Aufenthalt unmittelbare Auswirkung auf die Steuerpflicht in Deutschland hat, ist deren Prüfung stets zwingend erforderlich. Die Bestimmung, ob ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt, bestimmt sich stets nach nationalem Steuerrecht.
 

I. Wohnsitz

Nach § 8 der Abgabenordnung (AO) hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Die in § 8 AO festgeschriebene Definition eines Wohnsitzes knüpft dabei an tatsächliche Umstände an. Die Anmeldung alleine reicht daher für die Begründung eines Wohnsitzes nicht aus. Sie kann lediglich Indiz sein.

Der Begriff der Wohnung meint Räume, die zum dauerhaften Wohnen geeignet sind. So umfasst der Wohnungsbegriff neben Miet- bzw. Eigentumswohnungen auch Häuser oder möblierte Zimmer. Bei einem Hotelzimmer handelt es sich in der Regel nicht um eine Wohnung. Selbst ein Apartment ohne Kochgelegenheit, aber mit vorhandener Gemeinschaftsküche, stellt keine Wohnung dar.

Eine Wohnung hat jemand dann inne, wenn er die tatsächliche Verfügungsmacht über die Wohnung besitzt. Dabei muss die Wohnung mit einer gewissen Regelmäßigkeit aufgesucht werden. Dies kann auch in größeren Zeitabständen geschehen. Eine Mindestaufenthaltszeit im Jahr ist jedoch nicht erforderlich. Wird eine Wohnung nur gelegentlich aufgesucht, etwa zu besuchs- und Erholungszwecken, so ist dies nicht ausreichend. In Fällen von beruflichen Auslandsaufenthalten kann das Innehaben einer Wohnung vermutet werden, wenn die Wohnung im Inland beibehalten wird, die Benutzung jederzeit möglich ist und diese als Wohnung entsprechend ausgestattet ist. Das Innehaben einer Wohnung weist zudem eine zeitliche Komponente auf. So kann nach der Rechtsprechung auch für § 8 AO auf die Frist von sechs Monaten nach § 9 S. 2 AO zurückgegriffen werden, da diese Frist zum Ausdruck bringt, ab wann ein Aufenthalt nicht mehr nur vorübergehend ist (somit kein Wohnsitz bei einer Mietdauer, die von vornherein kürzer als sechs Monate ist).


II. Gewöhnlicher Aufenthalt

Fehlt es hingegen an den Merkmalen für einen Wohnsitz, so kann ggf. aufgrund der tatsächlichen Umstände ein gewöhnlicher Aufenthalt gemäß § 9 AO vorliegen. Der gewöhnliche Aufenthalt ist dabei alles andere als ein „Wohnsitz minderer Qualität“, sondern vielmehr ein eigenständiger Anknüpfungspunkt.

Gemäß § 9 AO hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.

Zunächst kommt es für den gewöhnlichen Aufenthalt auf den tatsächlichen Aufenthalt („Anwesenheit“) an einem Ort oder in einem Gebiet an. Eine Begrenzung auf nur einen Ort erfolgt jedoch nicht. Daneben müssen objektive Umstände darauf schließen lassen, dass der Aufenthalt nicht nur vorübergehend erfolgt.

Nach § 9 S. 2 AO gilt als gewöhnlicher Aufenthalt stets ein von Beginn an zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten. Ausnahmsweise kann auch ein Aufenthalt von weniger als 6 Monaten einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, sofern ursprünglich ein mehr als 6 Monate dauernder Aufenthalt geplant war.

Zu beachten ist, dass die 6-Monatsfrist nicht in einem Kalenderjahr erfüllt werden muss. Es muss sich jedoch um einen zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt handeln. Mehrere kurzzeitige Aufenthalte dürfen bei der Ermittlung der Frist nicht zusammengerechnet werden.

Die Beurteilung, ob eine Reihe kurzer Aufenthalte oder nur kurzzeitige Unterbrechungen eines langen Aufenthaltes gegeben sind, hat nach der erkennbaren Intention des Steuerpflichtigen zu erfolgen.


III. Spezialfälle

Standby-Wohnung:

Das hessische Finanzgericht hatte über die Frage zu entscheiden, ob bei Vorhalten einer sog. Standby-Wohnung ein Wohnsitz begründet wird. In dem zugrunde liegenden Fall war ein Pilot, mit Familienwohnsitz in der Schweiz, arbeitsvertraglich verpflichtet, in der Nähe des deutschen Flughafens eine Unterkunft zu unterhalten, um seinen Flugdienst schnellstmöglich antreten zu können. Zur Erfüllung seiner Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, mietete er mit drei weiteren Piloten eine Wohnung in der Nähe des Flughafens, die ihnen zur wechselseitigen Nutzung zur Verfügung stand. Nach Auffassung des hessischen Finanzgerichtes begründete der Pilot in Deutschland keinen Wohnsitz (Hessisches Finanzgericht Urt. vom 13.11.2012, 3 K 1062/09). Da er die Wohnung in stetigem Wechsel mit anderen Personen nutze, könne er zeitlich und räumlich nur eingeschränkt über die Wohnung verfügen. Er könne die Wohnung nur dann nutzen, wenn sie nicht bereits von seinen drei Kollegen genutzt würde. Er müsse somit stets damit rechnen eine alternative Unterkunft aufsuchen zu müssen. Da insgesamt vier Wohnungsnutzer zur gleichen Zeit Zugriff auf die Wohnungsschlüssel haben, nutze er die Wohnung mehr wie eine Art Hotelzimmer.

Der BFH folgte mit Urteil vom 13.11.2013 der Ansicht des FG wonach eine Standby-Wohnung, die lediglich mit eingeschränkter Verfügungsmöglichkeit stets zeitlich wechselnd mit anderen Personen genutzt wird, keinen Wohnsitz im Sinne des § 8 AO darstellt.

Dennoch erfolgte eine Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils durch den BFH, da das FG nach Auffassung des BFH nicht festgestellt habe, ob ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliege.


Boardinghouse/ Serviced Apartment:

Bei einem Boardinghouse handelt es sich um einen hotelähnlichen Beherbergungsbetrieb, der durch den meist längerfristigen Aufenthalt des Gastes gekennzeichnet ist. Der Leistungsumfang reicht von einem geringen Angebot bis hin zum hotelmäßigen Roomservice. Rechtsprechung und Fachliteratur gibt es bislang nur wenig zum Boardinghouse. Mit Urteil vom 21.08.2002 (1 K 3262/00) hat das FG München entschieden, dass durch das Boarding kein Wohnsitz im Sinne des Einkommensteuerrechts begründet wird, da es sich hierbei regelmäßig um vorübergehende Aufenthalte handelt.

Wir empfehlen jedoch stets zu prüfen, wie lange der Aufenthalt im Boardinghouse vorab geplant war. Denn selbst wenn man einen Wohnsitz verneint, so können bei einem Aufenthalt von mehr als 6 Monaten die Voraussetzungen eines gewöhnlichen Aufenthaltes erfüllt sein.


Entsendungen von unter 6 Monaten:

In einigen Fällen halten sich Steuerpflichtige nur weniger als sechs Monate im Entsendeland auf. Es ist dann zu prüfen für wie lange der Aufenthalt ursprünglich geplant war. Sowohl der Wohnsitz als auch der gewöhnliche Aufenthalt weisen eine zeitliche Komponente von mindestens 6 Monaten auf, um sicherzustellen, dass der Aufenthalt nicht nur vorübergehend ist. Sofern die Entsendung von vornherein nur für einen Zeitraum von weniger als 6 Monaten geplant ist, begründet der Steuerpflichtige weder einen Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt.

Anders verhält es sich in dem Fall, dass zu Beginn eine Entsendung von über 6 Monaten geplant ist, die Entsendung jedoch nach wenigen Monaten wieder beendet wird. Da hier die ursprüngliche Intention bestand sich länger als 6 Monate im Entsendeland aufzuhalten (ggf. ein unbefristeter Mietvertrag geschlossen wurde, der dann vorzeitig wieder gekündigt wird), wird abhängig von der Art der Unterkunft ein Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt begründet.


Entsendung mit vorangegangener Dienstreise:

Nicht selten kommt es vor, dass Arbeitnehmer bereits vor ihrer Entsendung das Gastland im Rahmen von Dienstreisen aufsuchen. Da die Dienstreisen in der Regel kurzfristigen Charakter haben und der Mitarbeiter häufig in einem Hotel unterkommt, begründet der Arbeitnehmer keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gastland für die Dauer der Dienstreise.

Sofern sich jedoch an die Dienstreise eine Entsendung anschließt, überschreitet der Arbeitnehmer häufig die Gesamtaufenthaltsdauer von sechs Monaten. Dies kann dazu führen, dass der Steuerpflichtige bereits mit der ersten Reise im Inland einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet was zu einer unbeschränkten Steuerpflicht führt.


Postalische Anschrift bzw. Zimmer im Elternhaus:

Grundsätzlich ist die Beibehaltung eines Zimmers im elterlichen Haus für einen Wohnsitz nicht ausreichend. Auch eine Postadresse im elterlichen Haus genügt für die Begründung eines Wohnsitzes nicht, da in diesen Fällen ein Innehaben der Wohnung nicht gegeben ist.


IV. Zusammenfassung

Scheint die Bestimmung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes auf den ersten Blick doch recht einfach, so gibt es eine Reihe von Sachverhalten, bei denen die Prüfung der Voraussetzungen gar nicht so ohne weiteres möglich ist. Da das Vorliegen eines Wohnsitzes/ gewöhnlichen Aufenthaltes jedoch erhebliche steuerliche Bedeutung hat, empfiehlt sich in jedem Fall eine sorgfältige Prüfung.
 

Ihre Ansprechpartner

Peter Mosbach

pmosbach@deloitte.de
Tel.:

Robert Krüger

rkrueger@deloitte.de
Tel.:

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