BFH: Keine Teilwertabschreibung auf festverzinsliche Wertpapiere unter ihren Nennwert
Eine Teilwertabschreibung auf festverzinsliche Wertpapiere auf einen Wert unter ihren Nennwert allein wegen gesunkener Kurse ist nicht zulässig. Der Gläubiger erhält zum Ende der Laufzeit den Nennbetrag des Papiers zurück, so dass die Wertminderung nicht von Dauer ist. Nur wenn Zweifel an der Bonität des Schuldners bestünden, komme eine andere Beurteilung in Betracht.
Sachverhalt
Die Klägerin, ein Kreditinstitut, hielt am 31.12.2007 in ihrem Umlaufvermögen u.a. festverzinsliche Wertpapiere. Die Kurswerte von einigen dieser Wertpapiere waren an dem genannten Bilanzstichtag unter die Anschaffungskosten gesunken und beliefen sich auf weniger als 100 % des Nominalwerts. Streitig ist, ob eine Teilwertabschreibung auf festverzinsliche Wertpapiere unter ihren Nennwert vorgenommen werden kann. Das FG gab der Klage teilweise statt.
Entscheidung
Die Revision des Finanzamts ist begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils. Bei festverzinslichen Wertpapieren, die eine Forderung in Höhe des Nominalwerts der Forderung verbriefen, ist eine Teilwertabschreibung unter ihren Nennwert allein wegen gesunkener Kurse regelmäßig nicht zulässig, da es an einer voraussichtlich dauernden Wertminderung fehlt. Dies gilt auch dann, wenn die Wertpapiere zum Umlaufvermögen gehören.
Beteiligungen und Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG 2002). Der niedrigere Teilwert kann angesetzt werden, wenn er aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG 2002). Diesem Begehren ist das Finanzamt teilweise gefolgt. Für eine darüber hinausgehende Gewinnminderung ist im Streitfall kein Raum. In diesem Zusammenhang muss nicht die zwischen den Beteiligten streitige Frage entschieden werden, ob am maßgeblichen Bilanzstichtag bei allen in Rede stehenden Wirtschaftsgütern "voraussichtlich dauernde" Wertminderungen insoweit nicht vorlagen, als die Werte jener Wirtschaftsgüter bis zum Tag der Bilanzaufstellung durch die Klägerin wieder angestiegen waren. Denn unabhängig davon fehlt es jedenfalls bei den festverzinslichen Wertpapieren an einer "voraussichtlich dauernden" Wertminderung, soweit die Kurswerte der Papiere unter deren Nominalwert abgesunken sind oder schon vor ihrem (weiteren) Absinken unter jenem Wert lagen.
Der Begriff "voraussichtlich dauernde Wertminderung" ist weder im HGB noch im Steuerrecht definiert. Er bezeichnet im Grundsatz eine Minderung des Teilwerts, die einerseits nicht endgültig sein muss, andererseits aber nicht nur vorübergehend sein darf. Ob eine Wertminderung "voraussichtlich dauernd" ist, muss unter Berücksichtigung der Eigenart des jeweils in Rede stehenden Wirtschaftsguts beurteilt werden (BFH-Urteil vom 27.11.1974).
Im Zusammenhang mit festverzinslichen Wertpapieren ist insoweit zu berücksichtigen, dass diese regelmäßig eine Forderung in Höhe des Nominalwerts des Papiers verbriefen. Der Inhaber eines solchen Papiers hat mithin das gesicherte Recht, am Ende der Laufzeit diesen Nominalwert zu erhalten. Diese Sicherheit hat er an jedem Bilanzstichtag, und zwar unabhängig davon, ob zwischenzeitlich infolge bestimmter Marktgegebenheiten der Kurswert des Papiers unter dessen Nominalwert liegt. Ein Absinken des Kurswerts unter den Nominalwert erweist sich unter diesem zeitlichen Blickwinkel mithin jedenfalls dann, wenn sich darin nicht ein Risiko hinsichtlich der Rückzahlung widerspiegelt, als nur vorübergehend und folglich als nicht dauerhaft. Das schließt - entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 25.02.2000, Tz. 24 f.) - die Annahme einer "voraussichtlich dauernden" Wertminderung aus. Das gilt auch dann, wenn die Wertpapiere zum Umlaufvermögen gehören. Denn in einem solchen Fall sind die Papiere zwar nicht dazu bestimmt, dem Betrieb auf Dauer zu dienen; sie sollen vielmehr nach dem Willen des Unternehmers ggf. vor dem Ende ihrer Laufzeit veräußert werden. Auch kann aus der Sicht eines jeden Bilanzstichtags nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer in diesem Sinne "vorzeitigen" späteren Veräußerung nur ein unterhalb des Nominalwerts liegender Wert erlöst werden kann. Darauf ist aber bei der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG 2002 nicht abzustellen. Maßgeblich ist insoweit vielmehr, dass weder eine vorzeitige Veräußerung noch ein Zuwarten des Gläubigers bis zur Endfälligkeit vorausgesehen werden kann. Unter diesen Umständen liegt die vom Gesetz geforderte voraussichtliche Dauerhaftigkeit der Wertminderung nicht vor. Ein Absinken des Teilwerts kann nur insoweit gewinnmindernd berücksichtigt werden, als der Teilwert den Nennwert nicht unterschreitet.
Betroffene Norm
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG 2002
Streitjahr 2007
Vorinstanz
Finanzgericht Münster, Urteil vom 09.07.2010, 9 K 75/09 K, EFG 2011, S. 221, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
Fundstelle
BFH, Urteil vom 08.06.2011, I R 98/10, BStBl II 2012, S. 716
BMF, Schreiben vom 25.02.2000, BStBl I 2000, S. 372
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 27.11.1974, I R 123/73, BStBl II 1975, S. 294