BFH: Werbungskosten bei Teilnahme an Auslandsgruppenreisen
Zur Klärung der beruflichen Veranlassung bei Teilnahme an einer Auslandsgruppenreise sind auch nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 21.09.2009 die früher entwickelten Abgrenzungsmerkmale weiter anzuwenden. Dies gilt auch, wenn der Steuerpflichtige mit der Teilnahme an der Reise eine allgemeine Verpflichtung zur beruflichen Fortbildung erfüllt oder die Reise von einem Fachverband angeboten wird.
Sachverhalt
Die Klägerin erzielte im Streitjahr als Lehrerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zudem erklärte sie aus ihrer Tätigkeit als Kursleiterin an einer Volkshochschule und aus Nachhilfeunterricht für einen Studienkreis Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Streitjahr nahm sie an einer vom Landesinstitut für Schule und Ausbildung in Zusammenarbeit mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung organisierten Studienreise nach China und nach Paris sowie an einem vom Institut für internationale Zusammenarbeit im Deutschen Volkshochschulverband angebotenen Seminar teil. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für die Studienreisen nach China und Paris sowie Aufwendungen für das Seminar als Werbungkosten geltend. Das Finanzgericht entschied, die Aufwendungen für die Reisen nach China und Paris nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.
Entscheidung
Die Revision ist unbegründet. Die Entscheidung des Finanzgerichts hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH gehören hierzu auch Bildungsaufwendungen, soweit sie beruflich veranlasst sind (vgl. BFH-Urteile vom 17.12.2002 und 21.04.2010). Eine berufliche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Beruf zusammenhängen und subjektiv zu dessen Förderung getätigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 01.02.2007).
Aufwendungen für der beruflichen Fortbildung dienende Reisen sind demnach als Werbungskosten abziehbar, wenn sie beruflich veranlasst sind. Ob dies der Fall ist, ist durch Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des BFH vor Ergehen des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 21.09.2009 setzte der Abzug von Reisekosten als Werbungskosten voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Dies ist zum einen dann zu bejahen, wenn ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt oder wenn die berufliche Veranlassung bei weitem überwiegt. Waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt, so waren die gesamten Reisekosten vom Abzug ausgeschlossen (vgl. BFH-Entscheidungen vom 20.07.2006).
Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH ist nunmehr davon auszugehen, dass § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot normiert, so dass die Vorschrift einer Aufteilung von gemischt veranlassten, aber anhand ihrer beruflichen und privaten Anteile trennbaren Reisekosten nicht entgegensteht. Sind berufliche und private Veranlassungsbeiträge einer Reise jeweils nicht von untergeordneter Bedeutung, kommt ein Abzug der auf den beruflich veranlassten Anteil entfallenden Aufwendungen in Betracht. Entsprechend dem unterschiedlichen Gewicht der Veranlassungsbeiträge sind die Reisekosten im Verhältnis der beruflich und privat veranlassten Reiseanteile aufzuteilen.
Zur Klärung der beruflichen Veranlassung gelten die im Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27.11.1978 entwickelten Grundsätze fort. Neben einer fachlichen Organisation ist daher für eine berufliche Veranlassung vor allem maßgebend, dass das Programm auf die besonderen beruflichen Bedürfnisse der Teilnehmer zugeschnitten und der Teilnehmerkreis im Wesentlichen homogen ist. Dies war im Streitfall nicht erfüllt. Von Bedeutung ist auch, ob die Teilnahme freiwillig ist oder ob der Steuerpflichtige einer Dienstpflicht nachkommt (vgl. BFH-Urteil vom 09.12.2010).
Aus welchen Gründen der Steuerpflichtige eine bestimmte Reise unternommen hat, hat das FG als Tatsacheninstanz anhand der gesamten Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Kann die berufliche Veranlassung einer Reise nicht festgestellt werden, so gehen Zweifel zu Lasten des Steuerpflichtigen.
Auch von einer Aufteilung der angefallenen Aufwendungen wird abgesehen, da die Reise nach China sowie die Reise nach Paris keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines spezifischen Bezugs zur beruflichen Tätigkeit der Klägerin ersichtlich waren und somit der berufliche Anteil der Reise nicht gegeben ist.
Betroffene Norm
§§ 9 Abs. 1, 12 Nr. 1 EStG
Streitjahr 2004
Vorinstanz
Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 06.05.2010, 2 K 215/07
Fundstelle
BFH, Urteil vom 19.01.2012, VI R 3/11, BStBl II 2012, S. 416
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 17.12.2002, VI R 137/01, BStBl II 2003, S. 407
BFH, Urteil vom 21.04.2010, VI R 5/07, BStBl II 2010, S. 687, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 01.02.2007, VI R 25/03, BStBl II 2007, S. 459
BFH, Urteil vom 21.09.2009, GrS 1/06, BStBl II 2010, S. 672
BFH, Urteil vom 20.07.2006, VI R 94/01, BStBl II 2007, S. 121
BFH, Urteil vom 27.11.1978, GrS 8/77, BStBl II 1979, S. 213
BFH, Urteil vom 09.12.2010, VI R 42/09, BStBl II 2011, S. 522