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20.01.2022
Arbeitnehmerbesteuerung/ Sozialversicherung

Zusätzlichkeitserfordernis: Aktuelle Entwicklungen in der Sozialversicherung und der Lohnsteuer

​Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung haben am 11.11.2021 zur beitragsrechtlichen Behandlung zusätzlich zum Arbeitsentgelt gewährter steuerfreier oder pauschalbesteuerter Entgeltbestandteile Stellung genommen und das Zusätzlichkeitserfordernis im Beitragsrecht neu definiert. Auch das BMF hat sich in seinem Schreiben vom 05.01.2022 erneut mit dem Zusätzlichkeitserfordernis auseinandergesetzt. 

Hintergrund

Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung (SV-Spitzenverbände) haben in ihrer Besprechung vom 11.11.2021 zur beitragsrechtlichen Behandlung zusätzlich zum Arbeitsentgelt gewährter steuerfreier oder pauschalbesteuerter Entgeltbestandteile Stellung genommen. In diesem Zusammenhang haben sie das Zusätzlichkeitserfordernis im Beitragsrecht neu definiert und sich den Kriterien des durch das Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020, siehe Deloitte Tax-News) eingeführten steuerrechtlichen Zusätzlichkeitserfordernis in § 8 Abs. 4 EStG angeschlossen.

Besprechungsergebnis

Nach den von den SV-Spitzenverbänden aufgestellten neuen beitragsrechtlichen Kriterien werden Arbeitgeberleistungen nicht zusätzlich gewährt und sind folglich nicht beitragsfrei, wenn sie ein teilweises Surrogat für den vorherigen Entgeltverzicht bilden. Von einem entsprechenden Surrogat und damit der Zusätzlichkeit einer nach einem Entgeltverzicht gewährten Arbeitgeberleistung entgegenstehend ist insbesondere dann auszugehen, wenn:

  • die Vor- und Nachteilseinräumung durch Entgeltverzicht auf der einen und das ergänzte Leistungsspektrum auf der anderen Seite im Zusammenhang stehen und eine einheitliche Vereinbarung bilden, die insgesamt im Rahmen des gegenseitigen Austausches zustande gekommen und nicht trennbar ist und
  • aus objektiver Sicht der Vertragsparteien die neue Vergütung nur dann vollständig erfasst ist, wenn sämtliche Entgeltbestandteile zusammengenommen betrachtet werden.

Diese Merkmale spiegeln sich nach Auffassung der SV-Spitzenverbände auch in den Kriterien des durch das Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020, siehe Deloitte Tax-News) neu eingeführten steuerrechtlichen Zusätzlichkeitserfordernisses in § 8 Abs. 4 EStG wider. Hiernach werden Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn:

  • die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  • der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  • die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
  • bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

Unter diesen Voraussetzungen ist von einer zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachten Leistung auch dann auszugehen, wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich oder aufgrund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage (wie Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag, Gesetz) einen Anspruch auf diese hat.

Angesichts der inhaltlich weitgehend deckungsgleichen Merkmale für die Erfüllung des Zusätzlichkeitserfordernisses im Steuerrecht einerseits und im Beitragsrecht andererseits sind nach Ansicht der SV-Spitzenverbände grundsätzlich die Kriterien des § 8 Abs. 4 EStG zugrunde zu legen und zu prüfen, also auch dann, wenn allein das Beitragsrecht der Sozialversicherung - nicht aber das Steuerrecht - ein Zusätzlichkeitserfordernis verlangt. Bei Entgeltumwandlungen im Sinne eines vorherigen Entgeltverzichts und daraus resultierenden neuen Zuwendungen des Arbeitgebers ist daher aus Sicht der SV-Spitzenverbände regelmäßig davon auszugehen, dass es an der Zusätzlichkeit der neuen Zuwendungen fehlt.

Gewährung von Zusatzleistungen und Zulässigkeit von Gehaltsumwandlungen in der Lohnsteuer

Hintergrund

Mit Schreiben vom 05.02.2020 hatte das BMF zur Gewährung von Zusatzleistungen und Zulässigkeit von Gehaltsumwandlungen Stellung genommen (siehe Deloitte Tax News). Hierbei wurde die Tatbestandsvoraussetzung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ abweichend von der jüngsten BFH-Rechtsprechung in Form des BFH-Urteils vom 01.08.2019 (siehe Deloitte Tax News) konkretisiert.

Das BMF hebt mit Schreiben vom 05.01.2022 den Nichtanwendungserlass zu der für bestimmte Steuervergünstigungen auf Arbeitgeberleistungen relevanten Zusätzlichkeitsvoraussetzung für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2019 auf und schließt sich für diese Zeitraum der für den Steuerpflichtigen positiven Rechtsprechung des BFH an.

Verwaltungsanweisung (BMF-Schreiben vom 05.01.2022)

Veranlagungszeiträume bis 2019

Für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2019 hebt das BMF den Nichtanwendungserlass des BMF-Schreibens vom 05.02.2020 auf, infolgedessen in allen offenen Fällen der Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2019 das BFH-Urteil vom 01.08.2019 über den entschiedenen Einzelfall hinaus anzuwenden ist.

Die Zusätzlichkeitsvoraussetzung ist demzufolge also dann erfüllt, wenn der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt wird (Lohnformwechsel). Ansonsten liegt eine begünstigungsschädliche Anrechnung oder Verrechnung vor.

Demnach kann tarifgebundener verwendungsfreier Arbeitslohn nicht zugunsten bestimmter anderer steuerbegünstigter verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen herabgesetzt oder umgewandelt werden, da der tarifliche Arbeitslohn nach Wegfall der steuerbegünstigten Leistungen wiederauflebt.

Veranlagungszeiträume ab 2020

Für Veranlagungszeiträume ab 2020 ist die in § 8 Abs. 4 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.2020 (JStG 2020, siehe Deloitte Tax-News) geregelte Definition der Zusätzlichkeitsvoraussetzung maßgeblich. Demnach gelten Leistungen des Arbeitgebers für eine Beschäftigung nur unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen als „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht“.

Betroffene Normen

§ 8 Abs. 4 EStG

Streitjahr 2019, 2020 

Fundstellen

Besprechung der SV-Spitzenverbände, Niederschrift vom 11.11.2021

BMF-Schreiben vom 05.01.2022, IV C 5 - S 2334/19/10017 :004 

Weitere Fundstellen

BMF-Schreiben vom 05.02.2020, IV C 5 -S 2334/19/10017 :002, BStBl I 2020, 222; siehe Deloitte Tax News

BFH-Urteil vom 01.08.2019, VI R 32/18, BStBl II 2020, 106; siehe Deloitte Tax News 

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