BMF: Konkretisierung des Veranstaltungsortsprinzips und Anforderungen an die steuerfreie Dienstleistungskommission im Zusammenhang mit Eintrittskarten zu kulturellen Veranstaltungen
Aktuell: Nichtbeanstandungsregelung gemäß BMF-Schreiben vom 19.08.2021
Die Finanzverwaltung stellt klar, dass das Prinzip der Besteuerung am Veranstaltungsort nicht für die Leistungsortbestimmung für Online-Seminare im B2B-Bereich gilt – auf welche Aspekte Unternehmer nun achten sollten und welche Neuigkeiten es von der Finanzverwaltung im Hinblick auf die Reichweite der Fiktionswirkung bei der Dienstleistungskommission bzw. die Anwendung der personenbezogenen Steuerbefreiung gibt erfahren Sie hier.
BMF-Schreiben v. 09.06.2021 - Bestimmung des Ortes der sonstigen Leistung nach § 3a Abs. 3 Nummer 5 UStG
Die Leistungsortbestimmung für Veranstaltungen im B2B-Bereich erfolgen nach dem Veranstaltungsortprinzip. Unbeachtlich ist, ob die Veranstaltung für die Öffentlichkeit allgemein zugänglich ist.
- Umsätze aus dem Verkauf von Eintrittskarten für kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche und ähnliche Veranstaltungen sind im B2B-Bereich am Veranstaltungsort zu versteuern. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache SrF konsulterna (Urteil vom 13.03.2019, C‑647/17) stellt die Finanzverwaltung in Abkehr von ihrer bisherigen Ansicht klar, dass die Anwendung des Veranstaltungsortsprinzips nicht mehr voraussetzt, dass die Veranstaltung für die Öffentlichkeit allgemein zugänglich ist.
Die Finanzverwaltung stellt außerdem klar, dass die Leistungsortbestimmung für Online-Seminare im B2B-Bereich sich nach dem Empfängerortprinzip richtet und nicht nach dem Veranstaltungsort.
- Für die Ortsbestimmung nach § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG ist die physische Anwesenheit des Leistungsempfängers bei der Veranstaltung erforderlich. Die Online-Teilnahme wird somit vom Anwendungsbereich des § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG ausgenommen. Die Finanzverwaltung folgt damit den Ausführungen der Generalanwältin in der Rechtssache SrF konsulterna (Urteil vom 13.03.2019, C‑647/17). Für Online-Seminare bestimmt sich der Leistungsort nach der allgemeinen Regel.
Auswirkungen der oben genannten Änderungen:
Im Einklang mit dem Unionsrecht stellt die Finanzverwaltung nicht mehr darauf ab, ob die Veranstaltung für die Öffentlichkeit allgemein zugänglich ist. Aus Unternehmenssicht ist zu beachten, dass gerade bei Weiterbelastungen im Konzern sowie bei Kommissionsgeschäften die Änderungen unter Umständen zu neuen Registrierungspflichten in Deutschland führen können. Auch Unternehmer, die Online Seminare anbieten, müssen künftig genau darauf achten, ob der Leistungsempfänger Unternehmer oder Nichtunternehmer ist. Wird die Leistung an ausländische Unternehmer erbracht, ist künftig ohne Umsatzsteuer abzurechnen.
BMF-Schreiben v. 09.06.2021 – Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung von steuerbefreiten Dienstleistungskommissionen im Zusammenhang mit Eintrittskarten zu kulturellen Veranstaltungen
Mit einem weiteren Schreiben hat sich die Finanzverwaltung zur Beurteilung von steuerfreien Dienstleistungskommissionen im Zusammenhang mit Eintrittskarten zu kulturellen Veranstaltungen geäußert.
Streitig war bislang die Reichweite der Fiktionswirkung bei der Dienstleistungskommission bzw. die Anwendung der personenbezogenen Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG für den Kommissionär. Denn die Finanzverwaltung verwehrte einem Kommissionär bisher stets dann die Steuerbefreiung, wenn diese an personenbezogene Merkmale gebunden ist, die der Kommissionär nicht erfüllt. Dieser Ansicht hatte der BFH in einem Fall von Besorgungsleistungen im Zusammenhang mit Opernkarten durch einen Hotelservice (Urteil vom 25.04.2018, XI R 16/16) widersprochen. Der BFH bestätigte damit die Interpretation des EuGH (Urt. v. 14.07.2011, C-464/10, Henfling) bzgl. des Inhalts der Leistungen innerhalb der fingierten Leistungskette. Danach führt die Fiktion dazu, dass Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, so behandelt werden, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten. Von dieser Fiktion werden nach Auffassung des EuGH und BFH auch personenbezogene Merkmale der Steuerbefreiung erfasst. Mit Schreiben vom 09.06.2021 schließt sich die Finanzverwaltung nun der Auffassung des EuGH und des BFH im Hinblick auf die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG an. Danach sind sowohl die vom Kommissionär besorgte Leistung als auch die von ihm fiktiv erbrachte Besorgungsleistung steuerfrei, unabhängig davon, ob er die personenbezogenen Merkmale der Steuerbefreiung aufweist. Die genannten Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Anmerkung
Im Hinblick auf die Dienstleistungskommission hält das BMF an der Auffassung, wonach personenbezogene Merkmale für die Beteiligten der Leistungskette gesondert zu beurteilen sind, fest. Personenbezogene Merkmale, auf die sich die Fiktionswirkung im Kommissionsgeschäft nicht erstreckt, sind nach Ansicht der Finanzverwaltung weiterhin die Eigenschaft als Unternehmer, Kleinunternehmer oder Land- und Forstwirt i.S.d. § 24 UStG. Das Merkmal der Veranstaltereigenschaft als persönliche Voraussetzung des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG wird hingegen fingiert.
Im Interesse der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zwischen Direktvertrieb und Kommissiongeschäft ist das BMF-Schreiben zu begrüßen. Zwischenhändler sollten prüfen, ob sie Eintrittskarten zu kulturellen Veranstaltungen im Kommissionsmodell vertreiben. Wird über die steuerfreien Leistungen weiterhin mit Umsatzsteuer abgerechnet, schuldet der Kommissionär, die Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG.
Betroffene Normen
§ 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG, § 3 Abs. 11 UStG, § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG
Fundstellen
BMF, Schreiben vom 19.08.2021, III C 3 -S 7117-b/20/10002 :002
BMF, Schreiben vom 09.06.2021, III C 3 - S 7117-b/20/10002 :002
BMF, Schreiben vom 09.06.2021, III C 2 - S 7110/19/10001 :002