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15.03.2023
Indirekte Steuern/Zoll

EuG: Bestimmung des Warenursprungs bei Produktionsverlagerungen zur Vermeidung handelspolitischer Maßnahmen

​Die Standortentscheidung einer Produktionsverlagerung spielt eine zentrale Rolle bei der Vermeidung handelspolitischer Maßnahmen, wie beispielsweise bei Zusatzzöllen. Das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichts erster Instanz (EuG) in der Rechtssache T-324/21 vom 01.03.2023 zeigt auf, dass weitere wirtschaftlich gerechtfertigte Gründe von Relevanz sind, um einen Umgehungsvorwurf zu vermeiden.

Hintergrund

Im Juni 2018 führte die amerikanische Regierung zusätzliche Zölle auf Einfuhren von Stahl und Aluminium aus der Europäischen Union ein, um die inländische Produktion dieser Erzeugnisse zu fördern und zu steigern. Als Reaktion darauf erließ die Europäische Kommission mit Verordnung 2018/886 ihrerseits Zusatzzölle für bestimmte Waren aus den Vereinigten Staaten. Dies nahm ein amerikanischer Motorradhersteller zum Anlass, im Rahmen eines Berichts bekannt zu geben, die Produktion bestimmter Motorräder aus den Vereinigten Staaten nach Thailand zu verlagern, um die handelspolitischen Maßnahmen der Europäischen Union zu vermeiden.

Ursprung der Klage

Der amerikanische Motorradhersteller sowie ein weiteres Unternehmen beantragten daraufhin bei den belgischen Zollbehörden insgesamt fünf verbindliche Ursprungsauskünfte für verschiedene Motorräder. Die belgischen Zollbehörden erteilten entsprechende Auskünfte und stellten den thailändischen Ursprung der Motorräder fest. Die Europäische Kommission hingegen, vertrat die Ansicht, dass die im letzten Herstellungsland (hier: Thailand), gemäß Artikel 33 Absatz 1 UZK-DA, durchgeführten Be- oder Verarbeitungen nicht als wirtschaftlich gerechtfertigt gelten und somit das Ursprungsland Thailand nicht anerkannt werden kann. Weiterhin argumentierte die Europäische Kommission, dass die Produktionsverlagerung und die damit verbundene Vermeidung der Zusatzzölle primär vollzogen wurde, um die handelspolitischen Maßnahmen zu umgehen. Folglich erließ sie einen Beschluss und forderte die belgischen Zollbehörden zum Widerruf der verbindlichen Ursprungsauskünfte auf. Die Unternehmen reichen gegen diesen Beschluss der Europäischen Kommission Klage bei der ersten Instanz des Europäischen Gerichts ein.

Rechtliche Grundlagen

Artikel 33 Absatz 1 des Unionszollkodex bestimmt, dass nationale Zollbehörden auf Antrag Entscheidungen über verbindliche Zolltarifauskünfte treffen können. Um eine korrekte und einheitliche zolltarifliche Einreihung oder Bestimmung des Warenursprungs zu gewährleisten, kann die Europäische Kommission die Aufforderung zum Widerruf erlassen (Artikel 34 Absatz 11 des Unionszollkodex). Im Rahmen des Artikels 60 des Unionszollkodex wird unter anderem bestimmt, dass Waren, an deren Herstellung mehr als ein Land oder Gebiet beteiligt ist, als Ursprungswaren des Landes oder Gebietes gelten, in dem sie die letzte wesentliche und wirtschaftlich gerechtfertigte Be- oder Verarbeitung in einem dazu eingerichteten Unternehmen erfahren haben, die zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine wichtige Herstellungsstufe darstellt. Dabei regelt Artikel 33 UZK-DA, dass "eine in einem anderen Land oder Gebiet vorgenommene Be- oder Verarbeitung als wirtschaftlich nicht gerechtfertigt gilt, wenn auf der Grundlage der verfügbaren Informationen festgestellt wird, dass mit ihr die Anwendung der Maßnahmen der Union in Bezug auf den Ursprung der Waren vermieden werden sollte".

Urteil des Europäischen Gerichts erster Instanz

Auf dieser rechtlichen Grundlage begründete die Europäische Kommission vor dem Europäischen Gericht erster Instanz, dass gemäß Artikel 33 UZK-DA das primäre Ziel der Produktionsverlagerung nach Thailand darin bestand, die Anwendung handelspolitischer Maßnahmen zu vermeiden und dieser Vorgang damit als grundsätzlich wirtschaftlich nicht gerechtfertigt angesehen werden könne. Diese Begründung basiert unter anderem auf dem veröffentlichten Bericht des amerikanischen Herstellers, aus dem hervorgeht, dass die Einführung der Zusatzzölle das Ereignis war, das zur Ankündigung der Produktionsverlagerung führte. Hinzu komme die Tatsache, dass der Bericht als unmittelbare Reaktion auf die Verordnung 2018/886, nur fünf Tage nach deren Veröffentlichung und drei Tage nach ihrem Inkrafttreten, bekanntgegeben wurde. Dabei konnten die Klägerinnen nicht nachweisen, dass dieses zeitliche Zusammentreffen und die konkrete Verlagerungsentscheidung nach Thailand, vor der Einführung der strittigen Zusatzzölle getroffen worden ist. In dem Urteil vom 01.03. 2023, Rechtssache T-324/21, bestätigte das Europäische Gericht erster Instanz die Auffassung der Europäischen Kommission und wies die erhobene Klage als unbegründet zurück.

Fazit

Aufgrund der Rechtslage halten wir die Entscheidung des Europäischen Gerichts erster Instanz für nachvollziehbar. Im Falle einer Produktionsverlagerung zur Vermeidung von Zusatzzöllen, sollte daher immer darauf geachtet werden, dass weitere wirtschaftlich gerechtfertigte Gründe von Relevanz sind, um so einen Umgehungsvorwurf zu vermeiden.

​Bei Fragen zu diesem Newsletter oder bei allgemeinem Beratungsbedarf zu zollrechtlichen Fragen, steht Ihnen unser Global Trade Advisory Team gerne zur Verfügung.

Betroffene Normen

Unionszollkodex
Streitjahr ​2021

Fundstelle

EuG, Urteil vom 01.03.2023, T-324/21

Ihre Ansprechpartner

Michael Hundebeck
Senior Manager

mhundebeck@deloitte.de
Tel.: +49 211 8772 2608

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