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08.05.2023
Indirekte Steuern/Zoll

EuGH: Aufladen von Elektrofahrzeugen gilt umsatzsteuerlich als Lieferung von Elektrizität

Bei einer komplexen Leistung, die aus verschiedenen Dienstleistungselementen und dem Ladevorgang besteht, liegt eine einheitliche Lieferung von Elektrizität vor.

Hintergrund

Die umsatzsteuerliche Behandlung des E-Charging, des Aufladens von Elektrofahrzeugen, war bislang streitig. Für die Annahme einer Dienstleistung wurde bislang insbesondere die Abrechnung pro Ladevorgang angeführt, da das Eichrecht das Aufladen nach Verbrauch (Abrechnung nach Kilowattstunde) verbietet. Für die Annahme einer „Lieferung von Elektrizität“ spricht hingegen, dass das Unionsrecht Elektrizität einem körperlichen Gegenstand gleichstellt (Art. 15 MwStSystRL) und der nationale Gesetzgeber in der Leistungsortbestimmung von § 3g UStG ebenfalls davon ausgeht, dass Elektrizität geliefert werden kann. Eine Anweisung der Finanzverwaltung gibt es bislang nicht. Auf EU-Ebene stellte Frankreich im Jahr 2019 dem MwSt-Ausschuss die Frage, wie E-Charging mehrwertsteuerlich zu behandeln ist. Der MwSt-Ausschuss qualifizierte das E-Charging schließlich als Lieferung von Strom, betonte allerdings gleichzeitig, dass es stets auf den Einzelfall ankomme. Damit konnten Rechtsanwender zwar eine Tendenz erkennen, an einer rechtsverbindlichen Entscheidung mangelte es aber weiterhin. In dem vorliegenden polnischen Verfahren hatte der EuGH die Gelegenheit, zur Frage Stellung zu beziehen. Im Rahmen der Nutzung von Elektrofahrzeugen ging es um verschiedene Leistungen, die an Ladepunkten an die Nutzer von Elektrofahrzeugen erbracht werden.

Sachverhalt

Im Verfahren ging es um Leistungselemente, die aus der Lieferung von Elektrizität zum Aufladen von Elektrofahrzeugen und der Erbringung verschiedener damit in Zusammenhang stehender Dienstleistungen, wie der Einrichtung von Zugängen zu Ladepunkten und der Erleichterung ihrer Nutzung, der notwendigen technischen Unterstützung und IT-Anwendungen, die eine Reservierung eines Anschlusses, die Verfolgung des Umsatzverlaufs und die Bezahlung der Umsätze ermöglichen, bestehen.

Fraglich war, ob es sich bei der komplexen Leistung, die die Klägerin an den Ladepunkten an die Nutzer von E-Fahrzeugen erbringt, um eine Lieferung oder eine Dienstleistung handelt.

Entscheidung

Der EuGH urteilte, dass die betreffenden Leistungen insgesamt eine einheitliche Lieferung darstellen.

Der Umsatz umfasst verschiedene Einzelleistungen und Handlungen, so dass der EuGH aus Sicht des durchschnittlichen Nutzers von Ladepunkten und im Rahmen der notwendigen Gesamtbetrachtung zum Ergebnis gelangt, dass dieser Umsatz eine einheitliche Leistung darstellt, die als Lieferung von Gegenständen einzustufen ist. Aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers, der solche Ladepunkte nutzt, stellt die Übertragung von Elektrizität den wesentlichen und dominierenden Bestandteil der einheitlichen und komplexen Leistung dar. Im Rahmen des Ladevorgangs wird der Nutzer ermächtigt, die übertragene Elektrizität zum Zweck des Antriebs seines Fahrzeugs zu verbrauchen. Eine solche Versorgung der Batterie eines Elektrofahrzeugs mit Elektrizität setzt eine geeignete Ladevorrichtung voraus, so dass die minimale Dienstleistung, die in der Gewährung des Zugangs zu dieser Vorrichtung besteht, bei der Beurteilung des Anteils, den die Dienstleistung an der Gesamtheit eines komplexen Umsatzes ausmacht, der auch diese Lieferung von Elektrizität umfasst, nicht berücksichtigt werden kann. Die technische Unterstützung, stellt ihrerseits keinen eigenen Zweck dar, sondern ist das Mittel, um die Lieferung der für den Antrieb des Elektrofahrzeugs erforderlichen Elektrizität unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Es handelt sich somit um eine Nebenleistung zur Lieferung von Elektrizität. Das gilt auch für die Bereitstellung von IT‑Anwendungen, die es dem betreffenden Nutzer ermöglichen, einen Anschluss zu reservieren, den Umsatzverlauf einzusehen und Guthaben für die Bezahlung der Aufladungen zu erwerben. Solche Leistungen bieten dem Nutzer bestimmte zusätzliche praktische Möglichkeiten, die allein darauf abzielen, die Übertragung der für das Aufladen seines Fahrzeugs erforderlichen Elektrizität zu verbessern und einen Überblick über die in der Vergangenheit getätigten Umsätze zu geben.

Betroffene Normen

​Art. 14, 15 und 24 MwStSystRL; § 3g UStG

Anmerkung

Mit dem vorliegenden Urteil wird der anhaltenden Diskussion ein Ende gesetzt: Das Aufladen von Elektrofahrzeugen und die damit in Zusammenhang stehenden Dienstleistungen stellen als komplexe einheitliche Leistung eine Lieferung von Elektrizität dar. Das gilt auch, wenn der betreffende Betreiber den Preis nur auf der Grundlage der Dauer des Ladevorgangs berechnet. Nicht beantwortet ist die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn zwischen Ladesäulenbetreiber (Charge Point Operator, CPO) und Nutzer noch ein Provider (E-Mobility Provider, EMP) zwischengeschaltet ist. Der EU-MwSt-Ausschuss ist der Ansicht, dass grundsätzlich und vorausgesetzt, die vertraglichen Vereinbarungen geben im Einzelfall keinen Anlass zur anderweitigen Beurteilung, der CPO an den EMP Strom liefert und der EMP diesen an den Endkunden weiterliefert.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 20.04.2023, C‑282/22​​ 

Ihre Ansprechpartner

Dr. Ulrich Grünwald
Partner

ugruenwald@deloitte.de
Tel.: +49 30 25468 258

Dr. Diana-C. Kurtz
Senior Manager

dkurtz@deloitte.de
Tel.: +49 89 29036 8025

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