FG Düsseldorf: Steuerfreiheit eines grenzüberschreitenden Reihengeschäfts
Für die unionsrechtskonforme Zuordnung der Warenbewegung im Rahmen eines EU-Reihengeschäftes ist darauf abzustellen, wann und wo welchem Beteiligten die Verfügungsmacht über die Ware übertragen wurde.
Hintergrund
Eine umsatzsteuerfreie Ausfuhrlieferung setzt u.a. voraus, dass der Unternehmer oder sein ausländischer Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet, § 4 Nr. 1 Buchst. a i.V. m. § 6 Nr. 1 und Nr. 2 UStG. Bei Reihengeschäften kann es Schwierigkeiten bereiten, die Warenbewegung einer Lieferbeziehung zuzuordnen, insbesondere wenn der Verkäufer zwar im Ausgangsvermerk als Versender genannt wird, aber der Zwischenerwerber die Beförderung beauftragt und die Frachtkosten übernommen hat.
Sachverhalt
Im Streitfall verkaufte A, ein deutscher Einzelunternehmer, unter der Lieferbedingung ex work Ersatz- und Maschinenteile an eine in Großbritannien ansässige B. Die B war zuvor von der Firma C aus den USA mit der Lieferung beauftragt worden. Deren Bestellung erfolgte wiederum für die Firma D aus Peru. Die Ersatz- und Maschinenteile wurden von einer von C beauftragten Spedition bei A abgeholt und direkt zu D nach Peru geliefert. Auf Veranlassung des C bat die B den A, die Absender-Ausfuhrerklärung auszufüllen, da die C dies von den USA aus nicht bewerkstelligen konnte. A erhielt darauf von der Spedition den von der Zollbehörde ausgestellten Ausgangsvermerk, in dem A als Versender/Ausführer aufgeführt wird.
Entscheidung
Das FG Düsseldorf stützt sich bei seiner Entscheidung nicht auf die Auffassung der Verwaltung, die für die Zuordnungsentscheidung der Warenbewegung allein auf die Transportveranlassung abstellt. Im Sinne der Rechtsprechung des EuGH und des BFH (siehe ua. EuGH Urteil v. 21.2.2018, C-628/16, Kreutzmayr; BFH Urt. v. 25.2.2015, XI R 15/14; siehe auch Deloitte Tax News) hat das Gericht entschieden, dass es für die Zuordnungsentscheidung maßgeblich darauf ankommt, wann und wo welchem Beteiligten die Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, übertragen wurde. Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller objektiven Umstände vorzunehmen. Die eigentümergleiche Verfügungsmacht erfordert, dass dem Erwerber die wirtschaftliche Substanz, Wert und Ertrag an dem betreffenden Gegenstand übertragen wird. Die Incoterms ex work, die den Gefahrenübergang regeln, sind nicht notwendigerweise mit dem zivilrechtlichen Eigentumsübergang verbunden, sondern stellen ebenso wie die Transportveranlassung nur ein Indiz für die Verschaffung der Verfügungsmacht dar. Hinzu kam aber im vorliegenden Fall, dass A von seinem Abnehmer B bereits vor der Übergabe der Gegenstände an den Spediteur den vollständigen Kaufpreis erhalten hat. Daher stellte das FG fest, dass der Kläger bereits im Inland die Verfügungsmacht übertragen hat. Der Kläger ist zwar im Ausgangsvermerk als Versender der Waren bezeichnet, jedoch nur als „Hilfsperson“ für den C zur Erfüllung der zollrechtlichen Formalien in Erscheinung getreten. Damit hat die Klägerin die Versendung der Ware nicht veranlasst.
Daher kann sich der Kläger A hier im Ausgangsfall nicht auf die Steuerbefreiungsvorschriften für Ausfuhrlieferungen berufen.
Anmerkung
Mit dieser Entscheidung folgt das FG der neueren Rechtsprechung des BFH und des EuGH (s.o.), die für die Zuordnung der Warenbewegung auf den Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht abstellen, welche anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu ermitteln ist. Vom Ergebnis aus betrachtet, der Steuerpflicht der Lieferung des A, ist es im vorliegenden Fall unerheblich, ob man mit der Finanzverwaltung auf die Transportveranlassung oder im Sinne der Rechtsprechung auf die Verschaffung der Verfügungsmacht abstellt; nach beiden Ansichten ist die Lieferung der Klägerin steuerpflichtig. Der Fall spiegelt die bestehende Rechtsunsicherheit von Steuerpflichtigen bei der Behandlung von Reihengeschäften wider. Diese beruht nicht nur auf den unterschiedlichen Ansätzen von Finanzverwaltung und Rechtsprechung, sondern basiert auch darauf, dass bislang keine einheitlichen Regelungen zum Reihengeschäft im Binnenmarkt existierten. Nach der nunmehr erzielten Einigung im ECOFIN-Rat am 2.10.2018 ist die Aufnahme einer Regelung zu Reihengeschäften mit einem neuen Art. 36a in die MwStSystRL in greifbare Nähe gerückt. Die neuen Regelungen zu den sogenannten „quick fixes“ (Regelungen zu Reihengeschäften, Konsignationslagern, Gelangensbestätigung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen und zur materiellen Voraussetzungen der USt-ID Nr. für die Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen) sollen bereits zum 1.1.2020 in Kraft treten. Im Hinblick auf die Regelungen zum Reihengeschäft definiert der vom ECOFIN-Rat angenommene Vorschlag erstmalig, was ein Reihengeschäft ist und setzt sich mit dem Begriff des „Zwischenhändlers“ (mittlerer Unternehmer) auseinander. Für die Zuordnung der Warenbewegung knüpft der vorgeschlagenen Art. 36a MwStSystRL tatbestandlich jedoch weder an die Transportveranlassung noch an die Verschaffung der Verfügungsmacht an. Der Vorschlag stellt eine gesetzliche Vermutung auf, nach der im Reihengeschäft stets die erste Lieferung die bewegte und daher ggf. steuerfreie Lieferung ist. Die zweite Lieferung ist nur dann bewegt, wenn der mittlere Unternehmer dem ersten Unternehmer eine USt-ID Nr. aus dem Abgangsmitgliedstaat mitteilt. Im Hinblick auf die Verabschiedung der sogenannten „quick fixes“ ist das Europäische Parlament zur Stellungnahme aufgefordert. Erst nach dieser kann der Rat der Europäischen Union den vereinbarten Maßnahmen zustimmen.
Betroffene Norm
§ 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 UStG
Fundstelle
FG Düsseldorf, Urteil vom 04.05.2018, 1 K 2413/16 U
Weitere Fundstellen
EuGH, Entscheidung vom 26.07.2017, C 386/16, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil v. 25.02.2015, XI R 15/14
