BFH: Anwartschaften im Rahmen des § 17 EStG
Eine Anwartschaft auf eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist keine Beteiligung und deshalb bei der Bestimmung der Beteiligungshöhe i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG nicht zu berücksichtigen. Dies gilt ungeachtet ihrer Eigenschaft als möglicher Gegenstand einer Veräußerung.
Sachverhalt
Der Kläger sollte gem. Kaufvertrag 2 % der Stammaktien einer AG erwerben. Vor Übertragung der Anteile trat der Verkäufer und Mehrheitsaktionär anlässlich eigener Verkaufsverhandlungen seines gesamten Aktienpakets an den Kläger mit der Bitte heran, die Erfüllung des Aktienkauf- und Übertragungsvertrages zunächst zurückzustellen. Dafür leistete der Verkäufer im Streitjahr 2006 eine Ausgleichszahlung an den Kläger. Aufgrund dieser Zahlung erklärte der Kläger alle seine Ansprüche aus dem Aktienkauf- und Übertragungsvertrag als abgegolten.
Das Finanzamt erfasste die Ausgleichszahlung unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens als Veräußerungsgewinn gemäß § 17 Abs. 1 S. 3 EStG. Die hiergegen erhobene Klage beim FG hatte Erfolg. Nach Ansicht des FG kam eine einkommensteuerrechtliche Erfassung der Ausgleichszahlung nicht in Betracht.
Entscheidung
Das FG hat zutreffend die Steuerbarkeit der Ausgleichszahlung verneint. Die Zahlung führt weder zu einem Veräußerungsgewinn i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG, noch zu sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 3 EStG.
Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war (§ 17 Abs. 1 S. 1 EStG). Beteiligung in diesem Sinne ist die nominelle Beteiligung am Nennkapital. Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind zwar auch Anwartschaften auf solche Beteiligungen (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG). Jedoch bewirkt die Übertragung einer Anwartschaft noch keinen Übergang der Beteiligung. Anwartschaften sind keine Beteiligungen und mithin bei der Bestimmung der Beteiligungshöhe nicht zu berücksichtigen, und zwar ungeachtet ihrer Eigenschaft als möglicher Gegenstand einer Veräußerung i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG (vgl. BFH, Urteil vom 19.12. 2007). Im Streitfall war der Kläger folglich in dem Zeitpunkt, in dem er die Zahlung erhielt, nicht zu mindestens 1 % an der AG beteiligt. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG ist auch nicht analog anzuwenden.
Die streitbefangene Ausgleichszahlung ist auch nicht gemäß § 22 Nr. 3 EStG steuerbar. Sonstige Einkünfte i.S. der Vorschrift sind Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S.v. Nr. 1, 1a, 2 oder 4 des § 22 EStG gehören. Eine (sonstige) Leistung i.S. der Vorschrift ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das weder eine Veräußerung noch einen veräußerungsähnlichen Vorgang im Privatbereich betrifft, Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und eine Gegenleistung auslöst. Wird das Entgelt dafür erbracht, dass ein Vermögensgegenstand in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird, so gehört das Entgelt nicht zu den Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG. Dabei ist für die Abgrenzung im Einzelfall der wirtschaftliche Gehalt der zugrundeliegenden Vereinbarung maßgebend. Vorliegend hat der Kläger aufgrund der streitbefangenen Zahlung seine Ansprüche aus dem Vertrag als abgegolten erklärt hat und damit sein sich hieraus ergebendes Anwartschaftsrecht auf die Anteile endgültig aufgegeben.
Betroffene Normen
§ 17 Abs. 1 S. 1, § 22 Nr. 3 EStG
Streitjahr 2006
Vorinstanz
Finanzgericht Köln, Urteil vom 20.06.2012, 4 K 295/10
Fundstelle
BFH, Urteil vom 19.02.2013, IX R 35/12
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 19.12.2007, VIII R 14/06, BStBl II 2008, S. 475
