BFH: Bindung an die Feststellungen des steuerlichen Einlagekontos
Bescheide über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos haben eine materiell-rechtliche Bindung für die Besteuerung der Anteilseigner. Wird die Feststellung geändert, ist dies ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 AO.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH nahm 2006 eine Teilauszahlung der Kapitalrücklage an ihre Gesellschafter vor und erklärte einen (fehlerhaften) Bestand des steuerlichen Einlagenkontos, der bestandkräftig festgestellt wurde. Das Finanzamt nahm an, dass die Ausschüttungen nach den Feststellungen des Einlagekontos nicht unter Verwendung des Einlagekontos erbracht wurden und damit entgegen der Würdigung der Klägerin als Gewinnanteil der Kapitalertragsteuer unterlagen. Dementsprechend setzte das Finanzamt mit Nachforderungsbescheid gegenüber der Klägerin als Entrichtungsschuldnerin die nicht einbehaltene Kapitalertragsteuer sowie den darauf entfallenden Solidaritätszuschlag fest. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Entscheidung
Das FG sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Nachforderungsbescheid rechtlich nicht zu beanstanden sei. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, auf die im Jahre 2006 vorgenommenen Ausschüttungen Kapitalertragsteuer sowie den hierauf entfallenden Solidaritätszuschlag einzubehalten, anzumelden und abzuführen.
Der BFH bestätigt sein Urteil vom 19.05.2010. Die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG 2002, nach welcher Bezüge aus Anteilen an einer Körperschaft nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen gehören, knüpfe, soweit für diese das steuerliche Einlagekonto i.S. des § 27 KStG 1999 n.F. als verwendet gelte, tatbestandlich an die nach § 27 Abs. 2 KStG 1999 n.F. ausgewiesenen Bestände des steuerlichen Einlagekontos an. Demgemäß sei nicht nur die mit den Feststellungen des steuerlichen Einlagekontos für die Leistungen der Körperschaft verbundene Verwendungsfiktion auch auf der Ebene der Gesellschafter zu beachten; vielmehr bedeute die materiell-rechtliche Bindung des Gesellschafters (Anteilsinhabers) auch, dass er sich nicht mit Erfolg darauf berufen könne, das steuerliche Einlagekonto sei im Bescheid über die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos unzutreffend ausgewiesen.
Im Streitfall seien nach den Feststellungen des Einlagekontos die Ausschüttungen nicht i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG 2002 unter Verwendung des Einlagekontos erbracht worden und haben damit - entgegen der Würdigung der Klägerin - als Gewinnanteil i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG 2002 der Kapitalertragsteuer unterlegen.
Die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos wirke als materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal unmittelbar auf die Qualifikation der Ausschüttungen auf der Stufe der Gesellschafter ein.
Der Erlass der Bescheide, mit denen die zunächst getroffenen Feststellungen geändert wurden, sei als rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu werten. Werde die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos geändert, sei dies ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 AO.
Betroffene Norm
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG 2002, § 27 Abs. 2 KStG, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO
Streitjahr 2006
Vorinstanz
Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12.09.2013, 2 K 62/11, EFG 2014, S. 936
Fundstelle
BFH, Urteil vom 28.01.2015, I R 70/13, BStBl II 2017 Seite 101
Weitere Fundstelle
BFH, Urteil vom 19.05.2010, I R 51/09, BStBl 2014, S. 937
