BFH: Gewinnneutrale Realteilung trotz Fortführung der Mitunternehmerschaft
Eine gewinnneutrale Realteilung einer Mitunternehmerschaft kann entgegen der bisherigen Rechtsprechung auch dann vorliegen, wenn ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und die übrigen Gesellschafter diese fortführen (entgegen BMF-Schreiben vom 28.02.2006).
Sachverhalt
Die Klägerin war an einer Sozietät beteiligt, die neben ihrer Hauptniederlassung auch eine Zweigniederlassung unterhielt. Die Gesellschafter vereinbarten vertraglich, dass die Klägerin aus der Sozietät ausscheiden und die Zweigniederlassung im Streitjahr 2006 übernehmen sollte, wobei die Hauptniederlassung von den übrigen Gesellschaftern weitergeführt wurde. Vor der Übernahme wurden der Zweigniederlassung aufgrund entsprechender Vereinbarungen liquide Mittel zugeordnet. Das Finanzamt widersprach der von der Klägerin angenommenen Realteilung. Nachdem der Einspruch erfolglos blieb, bestätigte das FG die Realteilung.
Entscheidung
Unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung und entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung gelangt der BFH nun zu der Überzeugung, dass die gewinnneutrale Realteilung einer Mitunternehmerschaft auch beim Ausscheiden eines Gesellschafters vorliegen kann, wenn sie von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird.
Werden im Zuge der Realteilung einer Mitunternehmerschaft Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen, so sind bei der Ermittlung des Gewinns der Mitunternehmerschaft die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist; der übernehmende Mitunternehmer ist an diese Werte gebunden (§ 16 Abs. 3 S. 2 Halbs. 1 und 2 EStG). Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt.
Der BFH halte an der bislang vertretenen engen Definition der Realteilung nicht mehr fest. Eine "Realteilung" i.S. des § 16 Abs. 3 S. 2 EStG i.d.F. des UntStFG schließe jedenfalls das Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehenden Gesellschaft unter Mitnahme eines weiterhin zum Betriebsvermögen des Ausgeschiedenen gehörenden Teilbetriebs ein.
Der Begriff der "Realteilung" i.S. des § 16 Abs. 3 S. 2 EStG sei ein steuerrechtlicher Begriff. Seine Auslegung sei daher nicht mehr - wie die frühere BFH-Rechtsprechung angenommen hat - an das Zivilrecht gebunden. Weil § 16 Abs. 3 S. 2 EStG auf die Ermittlung des Gewinns der Mitunternehmerschaft Bezug nehme, setze die Realteilung einen Sachverhalt voraus, der sich grundsätzlich auf den Gewinn der Mitunternehmerschaft auswirke. Dies bedinge aber nicht die vollständige Auflösung der Mitunternehmerschaft, denn auch der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn des aus einer fortbestehenden Mitunternehmerschaft ausscheidenden Mitunternehmers sei Teil des Gewinns der Mitunternehmerschaft (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 10.04.2014).
Das Rechtsinstitut der Realteilung bezwecke, wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungsvorgänge steuerlich nicht zu belasten, solange die steuerliche Erfassung stiller Reserven sichergestellt sei (so bereits BFH-Urteil vom 10.02.1972). Eine Mitunternehmerschaft könne nicht nur durch ihre vollständige Auflösung, sondern auch durch das Ausscheiden eines Mitunternehmers unter Mitnahme eines Teilbetriebs sinnvoll umstrukturiert werden.
Die Klägerin habe auch insoweit keinen Veräußerungserlös erzielt, als der Niederlassung anlässlich ihres Ausscheidens erhebliche liquide Mittel zugeordnet wurden.
Anmerkung
Mit Schreiben vom 20.12.2016 hat das BMF seinen Realteilungserlass vom 28.02.2006 überarbeitet. Es wendet insbesondere die oben dargestellt neue Rechtsprechung des BFH zum Ausscheiden eines Mitunternehmers unter Übernahme eines Teilbetriebs an.
Betroffene Norm
§ 16 Abs. 3 S. 2 EStG
Streitjahr 2006
Vorinstanz
FG Hamburg, Urteil vom 18.04.2012, 3 K 89/11, EFG 2012, S. 1744
Fundstelle
BFH, Urteil vom 17.09.2015, III R 49/13, BStBl II 2017 Seite 37
Weitere Fundstellen
BMF, Schreiben vom 16.12.2016, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 10.04.2014, III R 20/13
BMF, Schreiben vom 28.02.2006, IV B 2 - S 2242 - 6/06 (durch BMF-Schreiben vom 20.12.2016 ersetzt)
BFH, Urteil vom 10.02.1972, IV 317/65, BStBl. II 1972, S. 419