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22.07.2021
Unternehmensteuer

BMF: Steuerliche Behandlung von „Cum/Cum-Transaktionen“

Mit Schreiben vom 09.07.2021 aktualisiert und verschärft das BMF sein bisheriges Schreiben vom 17.07.2017 zur steuerlichen Behandlung von Cum/Cum-Transaktionen. Nach dem aktuellen BMF-Schreiben geht bei Cum/Cum-Transaktionen zwar das zivilrechtliche Eigentum, nicht jedoch das wirtschaftliche Eigentum, an den Aktien auf den Entleiher bzw. Erwerber über. Die mit Cum/Cum-Gestaltungen bezweckte Umgehung der Definitivbelastung mit Kapitalertragsteuer ist missbräuchlich im Sinne des § 42 Abs. 2 AO. Als Rechtsfolge ist die Transaktion so zu beurteilen, als ob eine angemessene rechtliche Gestaltung gewählt worden wäre.

Hintergrund

Bei sog. „Cum/Cum“- als auch bei sog. „Cum/Ex“-Geschäften werden Geschäften rund um den Dividendenauszahlungstermin mit dem Ziel entweder Steuern zu sparen bzw. sich Steuern mehrfach erstatten zu lassen, abgeschlossen.
Bei sog. „Cum/Cum“-Geschäften werden meist Aktien kurz vor dem Dividendenstichtag von einem ausländischen Anleger, der ansonsten deutsche Kapitalertragsteuer auf die Dividende an den deutschen Fiskus abzuführen hätte, an einen in Deutschland ansässigen Finanzdienstleister verliehen, der sich die Kapitalertragsteuer vom Staat erstatten lassen kann. Kurz nach dem Dividendenstichtag werden die Aktien an den bisherigen ausländischen Besitzer zurückgegeben. 

Im Rahmen des Investmentsteuerreformgesetzes wurden mit Wirkung zum 01.01.2016 durch Einführung des § 36a EStG (siehe Deloitte Tax-News) umfassende Verschärfungen im Bereich der Kapitalertragsteueranrechnung bzw. -erstattung vorgenommen. Diese sollen der Sicherung der Dividendenbesteuerung dienen und insbesondere Gestaltungen zur Vermeidung der Dividendenbesteuerung durch Aktiengeschäfte in zeitlicher Nähe zum Dividendenstichtag (sog. Cum/Cum-Geschäfte) weitgehend eingrenzen.

Die Finanzverwaltung veröffentlichte am 11.11.2016 zunächst ein BMF-Schreiben zur wirtschaftlichen Zurechnung bei Wertpapiergeschäften, um deren steuerliche Behandlung für Veranlagungszeiträume bis 2016 klarzustellen (siehe Deloitte Tax News). Das BMF-Schreiben vom 11.11.2016 wurde nun durch ein aktualisiertes Schreiben vom 09.07.2021 ersetzt (siehe Deloitte Tax-News).

In Ergänzung zu dem Schreiben vom 11.11.2016 hatte sich das BMF mit dem Schreiben vom 17.07.2017 noch zu der steuerlichen Behandlung von Cum/Cum-Transaktionen für Zeiträume vor dem 01.01.2016 geäußert (siehe Deloitte Tax-News). Dieses Schreiben hat das BMF nun auch aktualisiert.

Verwaltungsanweisung

Hervorzuheben sind insbesondere die nachfolgend besprochenen Aussagen des BMF. Darüber hinaus enthält das BMF-Schreiben eine beispielhafte und nicht abschließende Aufzählung von Fallgestaltungen bei Cum/Cum-Gestaltungen, auf die an dieser Stelle nicht explizit eingegangen wird. 

Cum/Cum-Transaktion

Der Begriff Cum/Cum-Transaktion steht für eine Aktientransaktion, bei der das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft „mit Dividendenberechtigung“ vereinbart wird und die anschließende Lieferung der Aktien (dingliches Verfügungsgeschäft) ebenfalls „mit Dividendenberechtigung“ erfolgt. Lieferung mit Dividendenberechtigung meint, dass dem Erwerber das zivilrechtliche Eigentum an den Aktien noch vor oder spätestens am Dividendenstichtag verschafft wird.

Cum/Cum-Gestaltungen

Cum/Cum-Gestaltungen sind in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass unmittelbar vor dem Dividendenstichtag inländische Aktien zur Vermeidung einer Definitivbelastung mit Kapitalertragsteuer (KapSt), insbesondere bei Steuerausländern, durch Cum/Cum-Transaktionen auf eine inländischen KapSt-anrechnungsberechtigte Person (z.B. inländische Bank) übertragen und nach der Ausschüttung der Dividende wieder zurückübertragen werden.
Die Übertragung der Aktien kann z. B. durch ein Wertpapierleihegeschäft (= die inländische KapSt-anrechnungsberechtigte Person leiht sich die Aktien über den Dividendenstichtag vom Steuerausländer), durch ein Kassageschäft (= die inländische KapSt-anrechnungsberechtigte Person kauft vor dem Dividendenstichtag die Aktien vom Steuerausländer und veräußert sie nach dem Dividendenstichtag zurück) oder durch ein Wertpapierpensionsgeschäft (Repo-Geschäfte) erfolgen. Ein Indiz für das Vorliegen einer Cum/Cum-Gestaltung ist dabei die nur kurzfristige Haltedauer der Aktien um den Dividendenstichtag. 

Im Ergebnis soll durch diese Gestaltungen die beim Steuerausländer steuerpflichtige Dividende in eine nicht steuerpflichtige Kompensationszahlung aus dem Wertpapierleihegeschäft bzw. in einen nicht steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn aus dem Kassageschäft umgewandelt werden. Die einzelnen Transaktionen unterscheiden sich in der Dauer ihres Bestehens (Leihezeitraum) und in der Rendite.

Strukturierte Wertpapierleihe

Sogenannte strukturierte Wertpapierleihegeschäfte sind in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass die Aktien an einen Entleiher verliehen werden, bei dem die Dividendenerträge nach § 8b Abs. 1 KStG von der Steuer befreit sein sollen. Insgesamt handelt es sich bei der strukturierten Wertpapierleihe um eine Gestaltung, bei der beim Entleiher künstlich ein Betriebsausgabenüberhang geschaffen werden soll. Dieser Betriebsausgabenüberhang entsteht für den Entleiher durch die an den Verleiher zu entrichtenden Entgelte (u.a. Dividendenkompensationszahlung und Wertpapierleihegebühr), denen infolge der Steuerbefreiung für Dividenden nach § 8b Abs. 1 KStG kein steuerpflichtiger Ertrag gegenübersteht. Anders als bei Cum/Cum-Gestaltungen werden bei strukturierten Wertpapierleihegeschäften auch ausländische Aktien (ohne inländische KapSt Belastung) übertragen. Cum/Cum-Gestaltungen und strukturierte Wertpapierleihegeschäfte können kombiniert auftreten. 

Für die wirtschaftliche Zurechnung von Wertpapieren im Rahmen der strukturierten Wertpapierleihe wird auf die Ausführungen im aktuellen BMF-Schreiben zur wirtschaftlichen Zurechnung bei Wertpapiergeschäften vom 09.07.2021 (siehe Deloitte Tax-News) verwiesen.

Grundsätze der materiell-rechtlichen Beurteilung von Cum/Cum-Gestaltungen

Bei Cum/Cum-Gestaltungen geht zwar das zivilrechtliche Eigentum an den Aktien auf den Entleiher bzw. Erwerber über, jedoch nicht das wirtschaftliche Eigentum, da der Empfänger der Aktien gegen jegliche Arten von Kursrisiken abgesichert ist.

Neben der Frage der Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums ist bei Cum/Cum-Sachverhalten bezüglich der sonstigen steuerlichen Folgen zu prüfen, ob ein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 Abs. 2 AO vorliegt. Die mit Cum/Cum-Gestaltungen bezweckte Umgehung der Definitivbelastung mit KapSt ist missbräuchlich und führt zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil. Als Rechtsfolge ist der Sachverhalt so zu beurteilen, als ob eine angemessene rechtliche Gestaltung gewählt worden wäre. Der Besteuerung ist folglich ein fiktiver den wirtschaftlichen Vorgängen angemessener Sachverhalt zugrunde zu legen. Dabei sind insbesondere diejenigen steuerlichen Folgen zugrunde zu legen, die mit der konkret gewählten Gestaltung umgangen werden sollten. In diesem Fall wären Dividendeneinkünfte dem wirtschaftlichen Eigentümer der Aktien zugerechnet worden. Die Kapitalertragsteuer wäre für Rechnung des steuerlichen Anteilseigners einbehalten worden und nicht für Rechnung des Empfängers der Aktien. Dem Empfänger der Aktien ist die Geltendmachung der mit der Gestaltung zusammenhängenden Aufwendungen, insbesondere aus der Nichtanrechnung bzw. Rückforderung der KapSt, zu versagen.

Berichtigung von Erklärungen nach § 153 AO

Bei Vorliegen von Cum/Cum-Sachverhalten besteht dann eine Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO, wenn der Steuerpflichtige nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, dass er diese Sachverhalte in seiner Steuererklärung objektiv unrichtig oder unvollständig erklärt hat und es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist (vgl. Nummern 1 bis 3 des AEAO zu § 153).

Anwendungsregelung

Das neue Anwendungsschreiben ersetzt das Vorgängerschreiben vom 17.07.2017 und ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden.

Anmerkungen

Abweichungen zum Vorgängerschreiben vom 17.07.2017

Nach dem Vorgängerschreiben vom 17.07.2017 ging bei Cum/Cum-Transaktionen mit der Einbuchung der Wertpapiere in das Depot des Entleihers bzw. Erwerbers vor dem Dividendenstichtag das zivilrechtliche und grundsätzlich auch das wirtschaftliche Eigentum über. Hingegen sieht das aktuelle BMF-Schreiben vor, dass bei Cum/Cum-Gestaltungen zwar das zivilrechtliche Eigentum an den Aktien auf den Entleiher bzw. Erwerber übergeht, jedoch nicht das wirtschaftliche Eigentum, da der Empfänger der Aktien gegen jegliche Arten von Kursrisiken abgesichert ist. 

Während nach dem Vorgängerschreiben vom 17.07.2017 noch zu prüfen war, ob ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO vorliegt, wird ein solcher nach dem aktuellen BMF-Schreiben „quasi“ unterstellt.
Nach dem Vorgängerschreiben vom 17.07.2017 war die Rechtsfolge eines Gestaltungsmissbrauches gemäß § 42 AO, dass der steuerinduzierte Anteil der Kapitalertragsteuer (in der Regel 3/5 (d.h. 3/5 von 25% = 15%)) beim an der Gestaltung beteiligten Steuerinländer nicht angerechnet bzw. rückgefordert wird. Das aktuelle BMF-Schreiben sieht, hingegen, vor, dass der Besteuerung ein fiktiver den wirtschaftlichen Vorgängen angemessener Sachverhalt zugrunde zu legen ist. Dabei sind insbesondere diejenigen steuerlichen Folgen zugrunde zu legen, die mit der konkret gewählten Gestaltung umgangen werden sollten.

Darüber hinaus wurde im aktuellen BMF-Schreiben ein Hinweis zu Berichtigungspflichten nach § 153 AO eingefügt.

Fundstelle

BMF, Schreiben vom 09.07.2021, IV C 1 - S 2252/19/10035 :014 

Weitere Fundstellen

BMF, Schreiben vom 11.11.2016, siehe Deloitte Tax-News

BMF, Schreiben vom 17.07.2017, siehe Deloitte Tax-News

BMF, Schreiben vom 09.07.2021, siehe Deloitte Tax-News

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