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26.01.2022
Unternehmensteuer

FG Rheinland-Pfalz: Betriebsverpachtung als Betriebsübergang im Ganzen

Aktuell:
  • Entgegen der Auffassung des FG kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass die vorweggenommenen Betriebsausgaben auch im Falle eines Betriebsübergangs im Ganzen (§ 2 Abs. 5 GewStG) beim Gewerbeertrag nicht zu berücksichtigen sind (siehe Deloitte Tax News). 

FG-Urteil: Eine Verpachtung der wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs stellt einen Betriebsübergang im Ganzen i.S.d. § 2 Abs. 5 GewStG mit der Folge dar, dass ab Verpachtungsbeginn der Gewerbebetrieb für den Verpächter als eingestellt und für den Pächter als neugegründet gilt. Renovierungsmaßnahmen im Zeitraum zwischen Verpachtungsbeginn und Betriebseröffnung sind eine unschädliche (vorübergehende) Unterbrechung i.S.d. § 2 Abs. 4 GewStG, wenn erkennbar war, dass die Tätigkeit wieder aufgenommen wird.

Sachverhalt

Ab dem 01.12.2017 pachtete der Kläger von der bisherigen Betreiberin einen Imbissbetrieb einschließlich des Inventars, den der Kläger nach Abschluss von Renovierungsarbeiten tatsächlich erst am 02.01.2018 eröffnete.

Bereits ab dem 01.07.2017 sind dem Kläger allerdings Aufwendungen im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Imbissbetrieb entstanden. Für den Zeitraum vom 01.07. bis zum 31.12.2017 betrugen die angefallenen Aufwendungen 15.532 Euro, wovon ein Betrag i.H.v. 8.489 Euro auf den Zeitraum vom 01.12.2017 bis zum 31.12.2017 entfiel.

In seiner Gewerbesteuererklärung für 2017 gab der Kläger einen Verlust aus Gewerbebetrieb i.H.v. 15.532 Euro an. Das Finanzamt legte hingegen einen Verlust aus Gewerbebetrieb i.H.v. 0 Euro zu Grunde und setzte den GewSt-Messbetrag für 2017 auf 0  Euro fest.

Entscheidung

Das FG kommt entgegen der Ansicht des Finanzamts zu dem Ergebnis, dass die ab der Verpachtung entstandenen Aufwendungen i.H.v. 8.489 Euro gewerbesteuerlich zu berücksichtigen sind.

Gesetzliche Grundlagen

Gemäß § 2 Abs. 5 S. 1 GewStG gilt der Gewerbebetrieb bei Übergang eines Gewerbebetriebs im Ganzen auf einen anderen Unternehmer als durch den bisherigen Unternehmer eingestellt. Der Gewerbebetrieb gilt als durch den anderen Unternehmer neu gegründet, wenn er nicht mit einem bereits bestehenden Gewerbebetrieb vereinigt wird (vgl. § 2 Abs. 5 S. 2 GewStG). Gemäß § 2 Abs. 4 GewStG heben vorübergehende Unterbrechungen im Betrieb eines Gewerbes, die durch die Art des Betriebs veranlasst sind, die Steuerpflicht für die Zeit bis zur Wiederaufnahme des Betriebs nicht auf.

Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht

Nach Auffassung des FG beginnt die sachliche Gewerbesteuerpflicht erst, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines (originären oder fiktiven) Gewerbebetriebs erfüllt sind (§ 2 Abs. 1 S. 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 bzw. Abs. 3 EStG) und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt worden ist. 

Dabei sei für den Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht entscheidend, wann die Voraussetzungen für die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr – d.h. das für Dritte äußerlich erkennbare Angebot einer Tätigkeit am Markt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13.12.1995, XI R 43-45/89) – tatsächlich erfüllt sind, so dass das Unternehmen sich mit eigenen gewerblichen Leistungen beteiligen kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 27.10.1992, VIII R 30/90). Im Streitfall stellen nach dem FG die Tätigkeiten des Klägers (z.B. Entwurf eines Business Plans und einer Speisekarte) bis zum Verpachtungsbeginn am 01.12.2017 allenfalls Vorbereitungshandlungen dar. Die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr lag – mangels Innehabens eines Imbissbetriebs – bis zum Verpachtungsbeginn nicht vor. 

Betriebsverpachtung als Übergang eines Gewerbebetriebs im Ganzen

Nach dem FG ist der gewerbliche Imbissbetrieb durch den Kläger am 01.12.2017 (Verpachtungsbeginn) neu gegründet worden. Im Streitfall liegen nach Auffassung des FG die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 GewStG vor, da die wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs (hier: die für den Weiterbetrieb eines bestehenden Gewerbebetriebs geeigneten Räumlichkeiten) verpachtet werden (vgl. BFH-Urteil vom 12.01.2011, I R 112/09). Demnach gelte der gewerbliche Imbissbetrieb als durch die Verpächterin – und bisherige Unternehmerin i.S.d. § 2 Abs. 5 S. 1 GewStG – eingestellt und durch den Kläger als Pächter – und anderen Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 5 S. 2 GewStG – als neu gegründet.

Renovierungsmaßnahmen als unschädliche vorübergehende Unterbrechung

Dass der Kläger trotz des Beginns des Pachtvertrags am 01.12.2017 mit der Abgabe von Speisen und Getränken erst am 02.01.2018 begann, ist laut FG unschädlich. Vielmehr sei von einer vorübergehenden Unterbrechung des am 01.12.2017 i.S.d. § 2 Abs. 4 GewStG auszugehen. Eine Anwendung des § 2 Abs. 4 GewStG sei auch bei von vornherein als vorübergehend gedachten Unterbrechungen anzunehmen, z. B. bei der Renovierung der Betriebsräume, bei Betriebsferien (vgl. BFH-Urteil vom 27.07.1961, IV 234/60 U) oder bei Betriebsverlegungen (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.1998, IV R 56/97). Dazu müsse schon im Zeitpunkt der Einstellung der werbenden Tätigkeit anhand objektiver Umstände erkennbar sein, dass diese Tätigkeit wieder aufgenommen wird.
Im Streitfall lag aufgrund der im Zeitraum vom 01.12.2017 bis zur Eröffnung des Imbissbetriebs am 02.01.2018 erfolgten Renovierungsmaßnahmen eine unschädliche vorübergehende Unterbrechung i.S.d. § 2 Abs. 4 GewStG vor, da beispielsweise auf Basis der langen Laufzeit des Pachtvertrages, der getätigten Lebensmitteleinkäufe und der geschalteten Anzeige über die Neueröffnung des Imbissbetriebs erkennbar war, dass der Kläger den Imbissbetrieb aufnehmen wird.

Anmerkung

Es bleibt insbesondere mit Spannung abzuwarten wie sich der BFH im anhängigen Revisionsverfahren zu der Frage äußert, ob unmittelbar nach dem Beginn des Pachtvertrags vorgenommene Renovierungsmaßnahmen lediglich als unschädliche vorübergehende Unterbrechung anzusehen und die ab der Verpachtung entstandenen Aufwendungen gewerbesteuerlich zu berücksichtigen sind.  

Betroffene Normen

§ 2 Abs. 4 und 5 GewStG

Streitjahr 2017

Fundstellen

BFH, Urteil vom 30.08.2022, X R 17/21

Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29.07.2021, 3 K 1383/20

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 12.01.2011, I R 112/09, BFH/NV 2011, S. 1194

BFH, Urteil vom 13.12.1995, XI R 43-45/89, BStBl II 1996, S. 232

BFH, Urteil vom 27.10.1992, VIII R 30/90, BFH/NV 1993, S. 264

BFH-Urteil vom 27.07.1961, IV 234/60 U, BStBl. II 1961, S. 470

BFH-Urteil vom 18.06.1998, IV R 56/97, BStBl. II 1998, S. 735

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