Sächsisches FG: Schachtelbeteiligung wegen Rückwirkungsfiktion
Aktuell:
- Der BFH bestätigt die Auffassung des FG und kommt zu dem Ergebnis, dass die zur Anwendung der Steuerbefreiung von Dividenden erforderliche Schachtelbeteiligung in Höhe von 10% des Grund- oder Stammkapitals auch durch unterjährige Erwerbsvorgänge von jeweils unterhalb der genannten Beteiligungsschwelle liegenden Anteilserwerben von mehreren Veräußerern erreicht werden kann (BFH, Urteil vom 13.03.2024, I R 30/21, siehe Deloitte Tax-News).
Sächsisches FG (Vorinstanz):
Wird unterjährig eine einzelne Beteiligung von mindestens 10% erworben, liegt infolge der Rückwirkungsfiktion des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG zu Beginn des Kalenderjahres eine sog. Schachtelbeteiligung vor, so dass unabhängig von der Höhe weiterer Erwerbe die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 S. 1 KStG auf die Beteiligungserträge anzuwenden ist (entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung).
Sachverhalt

Die Klägerin war zu Beginn des streitigen Veranlagungszeitraums nicht an der GmbH beteiligt. Unterjährig erwarb sie mit notariellem Vertrag zwei Geschäftsanteile zu je 3,27% und einen Geschäftsanteil von 3,46% an der GmbH von drei unterschiedlichen Personen. Mit notariellem Vertrag vom gleichen Tag erwarb sie von diesen drei Personen zusätzlich drei weitere Geschäftsanteile an der GmbH i.H.v. jeweils 25%, so dass die Klägerin zu 85% an der GmbH beteiligt war. Anschließend nahm die GmbH eine Gewinnausschüttung vor.
Gesetzliche Grundlage
Gemäß § 8b Abs. 4 S. 1 KStG sind Gewinnausschüttungen (abweichend von § 8b Abs. 1 S. 1 KStG) steuerpflichtig zu behandeln, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 Prozent des Grund- oder Stammkapitals betragen hat. Für Zwecke des § 8b Abs. 4 KStG gilt der Erwerb einer Beteiligung von mindestens 10 Prozent als zu Beginn des Kalenderjahres erfolgt (vgl. § 8b Abs. 4 S. 6 KStG).
Das Finanzamt war der Auffassung, dass der Erwerb der Geschäftsanteile zu 2 x 3,27% und 1 x 3,46% (einzeln) die 10%-Grenze des § 8b Abs. 4 KStG nicht erreichen würde, so dass 10/85 der Gewinnausschüttung als steuerpflichtig zu behandeln sind.
Entscheidung
Im Gegensatz zur Auffassung des Finanzamts, kommt das FG zu dem Schluss, dass die Gewinnausschüttung bei der Klägerin nicht nur teilweise, sondern vollständig steuerfrei gemäß § 8b Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 5 KStG zu stellen ist.
Schachtelbeteiligung wegen der Rückwirkungsfiktion des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG
Nach dem FG ist der unterjährige Erwerb von jeweils 25%-Anteilen an der M-GmbH durch die Klägerin nach § 8b Abs. 4 S. 6 KStG auf den Beginn des Kalenderjahres zu beziehen. Die Klägerin war also zu Beginn des Streitjahres zu 75% an der M-GmbH beteiligt. Der anschließende Erwerb von weiteren Geschäftsanteilen an der M-GmbH am selben Tag stockte die sog. Schachtelbeteiligung an dieser Gesellschaft weiter auf.
Folglich liege nicht der Fall vor, dass „die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10% des Grund- oder Stammkapitals betragen hat“.
Betroffene Normen
§ 8b Abs. 4 S. 1 und 6 KStG
Streitjahr 2015
Anmerkungen
Umstrittene Rechtsfrage
Das Sächsisches FG hat in der o.g. Entscheidung zu einer in der Literatur kontrovers diskutierten Rechtsfrage Stellung genommen und - wie bereits das Hessisches FG (vgl. Urteil vom 15.03.2021, 6 K 1163/17; BFH-anhängig: I R 16/21, siehe Deloitte Tax News) - entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. auch OFD Frankfurt vom 16.08.2021) entschieden. Das Hessische FG hatte die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen des § 8b Abs. 4 S. 6 KStG auch durch mehrere Anteilserwerbe von jeweils unter 10%, die zusammengerechnet die 10%-Grenze überschreiten, erfüllt sind.
Das Sächsische FG hatte in der o.g. Entscheidung trotz der stark umstrittenen Rechtsfrage keinen Anlass für die Zulassung der Revision gesehen. Allerdings war die Nichtzulassungsbeschwerde der Finanzverwaltung erfolgreich. Der BFH hat nunmehr die Revision zugelassen, die unter dem Az. I R 30/21 anhängig ist.
Veröffentlichung der o.g. Entscheidung im April 2022
Die o.g. Entscheidung des Sächsisches FG mit Datum vom 13.10.2020 wurde in den „Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)“ im April 2022 veröffentlicht.
Englischsprachiger Beitrag in den Deloitte Tax News
Zu der o.g. Entscheidung gibt es auch einen englischsprachigen Beitrag in den Deloitte Tax News.
Fundstellen
BFH, Urteil vom 13.03.2024, I R 30/21, siehe Deloitte Tax-News
Sächsisches FG, vom 13.10.2020, 8 K 666/20; BFH-anhängig: I R 30/21, EFG 2022, S. 607
Weitere Fundstellen
OFD Frankfurt, Verfügung vom 16.08.2021, S 2750a A-027-St 52, DStR 2021, S. 2468
Hessisches FG, Urteil vom 15.03.2021, 6 K 1163/17; BFH-anhängig: I R 16/21, siehe Deloitte Tax News
