BFH: Anteilsveräußerung nach Herabsetzung der Wesentlichkeitsgrenze in § 17 EStG
Sachverhalt
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit dem 20.04.1993 mit 24,02 % am Stammkapital der T-GmbH beteiligt. Am 23.07.2001 hat er die Beteiligung für 100.000 DM veräußert. Unter Berücksichtigung der Anschaffungskosten in Höhe von 48.224 DM ermittelte das Finanzamt gemäß § 17 EStG einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 51.776 DM. Der Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, die rückwirkende Absenkung der Beteiligungsgrenze des § 17 EStG von 25 % auf 10 % (gemäß Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002) sei verfassungswidrig, blieb erfolglos. Das FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, der Gesetzgeber habe eine das Vertrauen in die steuerfrei gebildeten Wertsteigerungen der Beteiligungen schützende Übergangsregelung schaffen müssen. Zumindest seien der Ermittlung des Veräußerungsgewinns die Zeitwerte zugrunde zu legen, die die Beteiligungen im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neuregelung gehabt hätten; danach hätte sich hier ein steuerpflichtiger Gewinn nicht ergeben.
Der BFH hat mit Urteil vom 10.08.2005 die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 07.07.2010 hat das Bundesverfassungsgericht dieses Urteil aufgehoben und das Verfahren an den BFH zurückverwiesen.
Entscheidung
Die Revision ist begründet. Das FG hat unzutreffend den gesamten im Jahr 2001 entstandenen Veräußerungsgewinn unter § 17 EStG gefasst.
Das BVerfG hat im Beschluss vom 07.07.2010 entschieden, dass § 17 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 S. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 nichtig ist, soweit in einem Veräußerungsgewinn Wertsteigerungen steuerlich erfasst werden, die bis zur Verkündung des StEntlG 1999/2000/2002 am 31.03.1999 entstanden sind und die - so im Streitfall - bei einer Veräußerung nach Verkündung des Gesetzes sowohl zum Zeitpunkt der Verkündung als auch zum Zeitpunkt der Veräußerung nach der zuvor geltenden Rechtslage steuerfrei hätten realisiert werden können. Der Besteuerung nach § 17 EStG unterliegen also in dem Fall, in dem die alte Beteiligungsgrenze von 25 % nicht überschritten war und ein Veräußerungsgewinn steuerfrei hätte realisiert werden können, nur solche Wertsteigerungen, welche nach dem 31.03.1999 entstanden sind. Insoweit handelt es sich um eine steuerbegründende Tatsache, wofür die Feststellungslast das Finanzamt trifft.
Betroffene Normen
§ 17 Abs. 1 EStG und § 52 Abs. 1 S. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002
Streitjahr 2001
Vorinstanzen
BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010, 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BStBl II 2011, S. 86; siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News, siehe auch BMF-Schreiben vom 20.12.2010 und BMF-Schreiben vom 21.12.2011: Die Grundsätze des BVerfG-Beschlusses sind auch auf die Fälle von Einlagen (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Buchst. b EStG) und Einbringungen (§ 22 Abs. 1 S. 5 i.V.m. Abs. 2 UmwStG) entsprechend anzuwenden
BFH, Urteil vom 10.08.2005, VIII R 22/05, BFH/NV 2005, S. 2188
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 14.02.2005, 3 K 679/04, EFG 2005, S. 1041
Fundstelle
BFH, Urteil vom 25.11.2010, IX R 47/10
Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 01.03.2005, VIII R 92/03, BStBl II 2005, S. 398, Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 01.03.2005, VIII R 25/02, BStBl II 2005, S. 436, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
