EU-Kommission: Unvereinbarkeit der deutschen Sanierungsklausel mit den EU-Beihilferegelungen
Hintergrund
Im Februar 2010 eröffnete die Kommission ein förmliches Prüfverfahren (siehe IP/10/180) zur sogenannten Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG) im deutschen Körperschaftssteuergesetz. Nach der Vorschrift ist ein zum teilweisen oder vollständigen Wegfall von steuerlichen Verlustvorträgen führender Beteiligungserwerb unbeachtlich, wenn er der Sanierung des Unternehmens dient. Durch die Sanierung müssen die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung verhindert werden und zugleich die – näher definierten – wesentlichen Beteiligungsstrukturen erhalten bleiben.
Die Sanierungsklausel wurde vom deutschen Gesetzgeber im Juli 2009 verabschiedet; mit einem rückwirkenden Anwendungszeitraum ab 1. Januar 2008. Sie wurde der EU-Kommission nicht als Beihilfe angemeldet.
Das BMF hat nach der Einleitung des Prüfverfahrens der EU-Kommission die Anwendung der Sanierungsklausel mit Schreiben vom 30.04.2010 ausgesetzt.
Entscheidung
Nach Anhörung der Beteiligten und der deutschen Behörden kam die EU-Kommission zum Schluss, dass die Sanierungsklausel wirtschaftlich schlecht dastehende Unternehmen gegenüber finanziell gesunden Unternehmen bevorzugt. Auch finanziell gesunde Unternehmen können Verluste erleiden, speziell während der Krise, sie können diese aber nicht verrechnen, wenn sich ihre Eigentümerstruktur maßgeblich verändert hat. Die Bestimmung verzerrt daher den Wettbewerb im Binnenmarkt. Die Argumentation der deutschen Behörden, wonach die Sanierungsklausel eine reine technische Bestimmung im deutschen Steuersystem sei und demnach nicht als staatliche Beihilfe anzusehen wäre, überzeugte die Kommission nicht.
Die Klausel weicht daher nach Auffassung der Kommission vom allgemeinen Prinzip im Unternehmenssteuerrecht Deutschlands und anderer Länder ab, welches einen Verlustvortrag genau dann verhindert, wenn bei dem betroffenen Unternehmen ein maßgeblicher Eigentümerwechsel stattgefunden hat. Dies soll verhindern, dass Unternehmen Steuern vermeiden, in dem sie gescheiterte Unternehmen mit dem einzigen Zweck übernehmen, deren steuerlichen Verlustvortrag zu verwenden.
Wenn ein Unternehmen Schwierigkeiten hat und die Regierung beschließt, Geld für seine Rettung und Umstrukturierung zu gewähren, so ist dies nur nach einer individuellen Anmeldung an die Kommission möglich, welche untersuchen muss, ob das Unternehmen mittelfristig überlebensfähig ist und die Beihilfe auf das erforderliche Mindestmaß begrenzt ist, um eine Verzerrung des Wettbewerbs zu beschränken.
Deutschland hat zwei Monate Zeit, um der Kommission eine Liste der Begünstigten zu übermitteln und sie über den Gesamtbetrag an zurückzufordernder Beihilfe zu informieren.
Betroffene Norm
§ 8c Abs. 1a KStG
Fundstelle
Pressemitteilung der EU-Kommission
Weitere Fundstellen
BMF-Schreiben vom 30.04.2010 zur Aussetzung der Sanierungsklausel, IV C 2 - S 2745-a/08/10005, DStR 2010, S. 928, siehe Zusammenfassung in den Deloitte Tax-News
BMF-Schreiben vom 30.04.2010 zur Veröffentlichung der Bekanntmachung der EU-Kommission über die Einleitung des Prüfverfahrens, IV C 2 - S 2745-a/08/10005
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