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05.02.2010
Internationales Steuerrecht

BFH: Nichtrückkehrtage bei Anwendung der Grenzgängerregelung des DBA-Schweiz

Sachverhalt

Der Kläger wohnte in Deutschland und war in den Streitjahren bei einer Schweizer AG, der X-AG, mit Sitz in der Schweiz beschäftigt. In der Schweiz wurde von den Vergütungen für diese Tätigkeit ein Quellensteuerabzug vorgenommen. Darüberhinaus war der Kläger Mitglied des Verwaltungsrates der S-AG, mit Sitz in der Schweiz; hierfür erhielt er von der S-AG eine Vergütung. 

Der Kläger unternahm in den Streitjahren zahlreiche Dienstreisen. Soweit die Dienstreisen an Wochenenden oder Feiertagen durchgeführt wurden, erhielt der Kläger von der X-AG hierfür weder einen Freizeitausgleich noch eine zusätzliche Vergütung. Die während der Dienstreisen angefallenen geschäftlich veranlassten Kosten für Flüge und sonstige Transporte, Übernachtungen wurden dem Kläger von der X-AG erstattet. 

Der Kläger ging in seiner Einkommensteuererklärung davon aus, dass er mit seinen Einkünften aus der Tätigkeit für die X-AG auf Grund der Anzahl der Nichtrückkehrtage nicht als Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz der deutschen Besteuerung unterlegen habe.

Entscheidung

Der BFH hat in seinem Urteil vom 11.11.2009, Az. I R 15/09, die Entscheidung des Finanzgerichts bestätigt und entschieden, dass der Kläger als Grenzgänger i.S.d. Art. 15a DBA-Schweiz mit seinen Einkünften aus der nichtselbständigen Tätigkeit für die X-AG der deutschen Besteuerung unterliegt. 

Nach Auffassung des BFH hat der Kläger, der im Inland ansässig war und regelmäßig von seinem Arbeitsort in der Schweiz an seinen Wohnsitz zurückgekehrt ist, durch seine Dienstreisen nicht die für die Nichtanwendung der Grenzgängerregelung des DBA-Schweiz relevante Höchstgrenze von 60 Nichtrückkehrtagen überschritten. 

Zur Beurteilung der Nichtrückkehrtage für Zwecke der Grenzgängerregelung des DBA-Schweiz im Rahmen von Dienstreisen unterscheidet der BFH zwischen der Dauer und dem Ziel der Dienstreise. Die Beurteilung, ob ein Nichtrückkehrtag vorliegt oder nicht, richtet der BFH dabei insbesondere am Zweck der Grenzgängerregelung aus, dem zufolge die Eingliederung des Arbeitnehmers am Wohnort im Ansässigkeitsstaat maßgebend ist. 

Eintägige Dienstreisen in Drittstaaten führen nicht zu Nichtrückkehrtagen i.S.d. DBA-Schweiz. Denn nach Ansicht des BFH ist nach dem Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz die Annahme eines Nichtrückkehrtages bei jeder Rückkehr des Arbeitnehmers an den Wohnsitz ausgeschlossen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer von seinem Arbeitsort oder von einem anderen Ort an den Wohnsitz zurückkehrt. Eine zweimalige Grenzüberschreitung ist auch nach Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz an solchen Tagen nicht erforderlich, an denen sich der Arbeitnehmer auf Dienstreisen außerhalb des Tätigkeitsstaates befindet. Ein Nichtrückkehrtag kann daher nicht bereits dann angenommen werden, wenn es an einem zweimaligen Überschreiten der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz fehlt. Zu einem für die Grenzgängereigenschaft schädlichen Nichtrückkehrtag führt in diesen Fällen nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz nur eine berufsbedingte Nichtrückkehr an den Wohnsitz. Der Verzicht auf das zwingende Erfordernis der zweimaligen arbeitstäglichen Grenzüberschreitung entspricht der mit der Neuregelung dieser Vorschrift verbundenen Erweiterung des Anwendungsbereichs der Grenzgängerregelung im DBA-Schweiz 1992. 
Der hiervon abweichenden Verständigungsvereinbarung zwischen der deutschen Finanzverwaltung und der Eidgenössischen Steuerverwaltung, nach der eintägige Dienstreisen in Drittstaaten stets zu den Nichtrückkehrtagen zählen, kommt nach Ansicht des BFH keine unmittelbare Gesetzeskraft zu. Verständigungsvereinbarungen können zwar als Auslegungshilfe insoweit bedeutsam sein, als sie ein aus anderen Umständen abgeleitetes Auslegungsergebnis bestätigen. Eine solche Situation läge aber im Streitfall nicht vor, da die Verständigungsvereinbarung in Tz. 14 des BMF-Schreibens in BStBl. I 1994, S. 683 einerseits vom Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz nicht gefordert wird und andererseits dem gedanklichen Hintergrund dieser Regelung widerstreitet. 

Weiterhin hat der BFH seine Ansicht bestätigt, wonach Dienstreisen mit Übernachtung im Ansässigkeitsstaat zu Nichtrückkehrtagen i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz führen und hält nicht weiter an der in im Urteil vom 16.05.2001, Az. I R 100/00, BStBl. II 2001, S. 633 vertretenen Auffassung fest, wonach Nichtrückkehrtage nur bei beruflich bedingten Übernachtungen außerhalb des Ansässigkeitsstaates angenommen werden können. Nach dem Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz sei die Annahme eines Nichtrückkehrtages auch dann nicht ausgeschlossen, wenn der Arbeitnehmer bei einer Dienstreise im Ansässigkeitsstaat aus beruflichen Gründen nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt. Die Vorschrift stelle auf die Rückkehr ab und unterscheide nicht danach, wo der Arbeitnehmer sich bei einer berufsbedingten Nichtrückkehr aufhält. Dies Verständnis der Regelung des DBA führt der BFH ebenfalls auf den Zweck der Grenzgängerregelung sowie die Bindung des Arbeitnehmers an seinen Wohnsitz zurück. 

Rückreisetage bei mehrtätigen Dienstreisen in Drittstaaten sind nach dem Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz nicht als Nichtrückkehrtage im Sinne der Grenzgängerregelung des DBA-Schweiz zu berücksichtigen. Durch die Rückkehr an den Wohnsitz tritt zudem keine Lockerung der persönlichen Bindung an den Wohnort im Ansässigkeitsstaat ein, so dass auch nach dem Zweck der Grenzgängerregelung nicht von einem Nichtrückkehrtag auszugehen ist. Dies entspricht der Beurteilung bei eintägigen Dienstreisen in Drittstaaten. 

An einer Rückkehr an den Wohnsitz des Arbeitnehmers i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz fehlt es jedoch bei mehreren Rückreisetagen. Daher sind die Arbeitstage, an denen ein Grenzgänger nach Arbeitsende mit der Rückreise von einer Dienstreise in Drittstaaten beginnt, als Nichtrückkehrtage zu werten. Diese Entscheidung steht nicht im Widerspruch zu dem Urteil vom 15.09.2004, Az. I R 67/03, IStR 2005, S. 65, in dem der BFH entschieden hatte, dass es für die Annahme eines Rückkehrtages nicht darauf ankommt, ob das Ende der Arbeitszeit oder der Zeitpunkt der Ankunft am Wohnort auf den Tag des Arbeitsantritts oder auf einen nachfolgenden Tag fällt. Dies Urteil stützt sich auf die Sonderregelung in Nr. II.1. des Verhandlungsprotokolls zum Änderungsprotokoll vom 18.12.1991, BStBl. I 1993, S. 929. Die in der Protokollregelung enthaltene Fiktion des Zeitpunkts der Rückkehr gilt nach den dort genannten Regelbeispielen nicht für die Reisetätigkeit im Rahmen von Dienstreisen. 

Die Arbeitstage, an denen der Kläger im Verwaltungsrat der S-AG tätig war, wertete der BFH nicht als Nichtrückkehrtage im Sinne der Grenzgängerregelung, da der Kläger nicht auf Grund seiner Arbeitsausübung, sondern infolge einer anderweitigen selbständigen Tätigkeit nach Arbeitsende nicht an seinen Wohnsitz zurückgekehrt ist. 

Ebenso hat der BFH die Tage nicht als Nichtrückkehrtage berücksichtigt, die nach ständiger Rechtsprechung keine Arbeitstage darstellen. Samstag, Sonntage und gesetzliche Feiertage stellen nur dann Arbeitstage dar, wenn eine Arbeit an diesen Tagen entweder ausdrücklich vereinbart ist oder der Arbeitgeber für die an diesen Tagen geleistete Arbeit einen anderweitigen Freizeitausgleich oder ein zusätzliches Entgelt gewährt. Dies war im vorliegenden Fall nicht gegeben. Durch die Übernahme der Reisekosten erhält der Arbeitnehmer aber kein zusätzliches Entgelt für eine Arbeitsleistung, sondern lediglich einen Aufwendungsersatz.

Vorinstanz

FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 31.07.2008, Az. 3 K 99/07, EFG 2009, S. 1727.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 11.11.2009, Az. I R 15/09, BStBl II 2010, S. 602.

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