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19.07.2012
Unternehmensteuer

BFH: Keine Berücksichtigung von Unterentnahmen vor 1999 beim Schuldzinsenabzug 2001

Sachverhalt
Streitig ist, ob im Streitjahr 2001 bei der Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des StÄndG 2001 auch Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren, die vor dem 01.01.1999 endeten, zu berücksichtigen sind.

Im Streitjahr 2001 errechnete das Finanzamt nicht abziehbare Schuldzinsen der Klägerin gem. § 4 Abs. 4a EStG, wobei es für die Berechnung gem. § 52 Abs. 11 S. 2 EStG i.d.F. StÄndG 2001 von einem Anfangsbestand des Kapitalkontos der Klägerin zum 01.01.1999 von „0 DM“ ausging. Den aus dieser Berechnung resultierenden Hinzurechnungsbetrag berücksichtigte es im Gewerbesteuermessbescheid für 2001. Die Klägerin vertrat hingegen die Auffassung, es sei das gesamte in der Bilanz ausgewiesene Eigenkapital und nicht ein Anfangskapital von „0 DM“ bei der Berechnung zu berücksichtigen. Einspruch und Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid 2001 hatten keinen Erfolg.

Entscheidung
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, dass im Streitjahr bei der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG zum 01.01.1999 von einem "Startkapital" von 0 DM auszugehen ist. Gegen die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG i.V.m. § 52 Abs. 11 S. 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Gemäß § 4 Abs. 4a S. 1 EStG (i.V.m. § 7 GewStG) sind Schuldzinsen nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Gemäß § 52 Abs. 11 S. 1 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 ist § 4 Abs. 4a EStG erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden, das nach dem 31.12.1998 endet. Gemäß Satz 2 dieser Vorschrift bleiben Über- und Unterentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre unberücksichtigt. Nach Wortlaut und Sinn und Zweck der genannten Regelungen ist allein entscheidend, ob in den nach dem 31.12.1998 endenden Wirtschaftsjahren Über- und Unterentnahmen getätigt wurden. In früheren Zeiträumen getätigte Über- und Unterentnahmen bleiben unberücksichtigt. Dies folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des § 52 Abs. 11 S. 2 EStG und entspricht dem Gesetzeszweck. Nach der Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum StÄndG 2001 sei der Schuldzinsenabzug durch die Neuregelung des § 4 Abs. 4a EStG auf eine neue Grundlage gestellt worden. Über- und Unterentnahmen seien als integrierter Bestandteil der Neuregelung erst ab 1999 zu ermitteln. Eine Berücksichtigung von Über- und Unterentnahmen früherer Jahre würde zudem auf erhebliche rechtliche und praktische Bedenken stoßen (zur Entwicklung der Regelungen zur Begrenzung des betrieblichen Schuldzinsenabzugs vgl. auch BFH-Urteil vom 23.03.2011).

Auf der Grundlage dieser Regelungen hat das Finanzamt die Unterentnahmen der Wirtschaftsjahre, die bis zum 31.12.1998 beendet waren, zu Recht nicht berücksichtigt.

Der Umstand, dass die Zinsen zur Finanzierung betrieblicher Vorgänge (Erwerb von Umlaufvermögen) angefallen sind, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist der Tatbestand des § 4 Abs. 4a EStG zweistufig zu prüfen: Auf der ersten Stufe ist die betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen nach den vom BFH entwickelten Grundsätzen zu beurteilen; auf der zweiten Stufe ist weiter zu prüfen, welche der betrieblich veranlassten Schuldzinsen auf Überentnahmen beruhen und daher nach § 4 Abs. 4a EStG nur in beschränktem Umfang abziehbar sind (dazu BFH-Urteile vom 21.09.2005 und vom 03.03.2011).

Das von der Klägerin angeführte BFH-Urteil vom 21.09.2005 ist für das Streitjahr im Hinblick auf die Bestimmung des „Startkapitals“ nicht einschlägig. Es betrifft den Veranlagungszeitraum 1999, also ein Jahr, für das die Regelung des § 52 Abs. 11 S. 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 zur Bestimmung des "Startkapitals" noch nicht vorhanden war. In dieser Entscheidung wird ausdrücklich festgestellt, dass lediglich in den Veranlagungszeiträumen 1999 und 2000 ein Unterentnahmevortrag aus der Zeit vor 1999 zu berücksichtigen sei. Der Wortlaut des § 4 Abs. 4a S. 4 EStG 1999 und die damalige Anwendungsregelung in § 52 Abs. 11 EStG 1999 gäben keinen Hinweis, dass die Berechnung der saldierten Über- und Unterentnahmen am 01.01.1999 beginnen solle. Indes hat der Gesetzgeber mit dem StÄndG 2001 die Unsicherheit bezüglich des "Startkapitals" beseitigt, indem er der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 11 EStG einen Satz 2 hinzugefügt hat.

Die Vorschrift des § 52 Abs. 11 S. 2 EStG ist verfassungsrechtlich nicht zu bestanden. Vor allem entfaltet sie keine unzulässige Rückwirkung. Soweit die Regelung an in der Vergangenheit verwirklichte Umstände anknüpft und daher eine unechte Rückwirkung gegeben ist, ist diese im Ergebnis verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Betroffene Norm
§ 4 Abs. 4a EStG; § 52 Abs. 11 S. 2 EStG i.d.F. StÄndG 2001
Streitjahr 2001

Vorinstanz
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26.01.2006, 10 K 99/03, EFG 2006, S. 1817

Fundstelle
BFH, Urteil vom 09.05.2012, X R 30/06, BStBl II 2012, S. 667

Weitere Fundstellen

Steueränderungsgesetz 2001 (StÄndG 2001) vom 20.12.2001, BGBl I 2001, S. 3794, BStBl I 2002, S. 4
Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum StÄndG 2001 vom 07.09.2001, BT-Drs. 14/6877, S. 28
BFH, Urteil vom 23.03.2011,X R 28/09, BStBl II 2011, S. 753
BFH, Urteil vom 21.09.2005, X R 47/03, BStBl II 2006, S. 504
BFH, Urteil vom 03.03.2011, IV R 53/07, BStBl II 2011, S. 688

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