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02.04.2013
Unternehmensteuer

BFH: Verfassungsmäßigkeit der sog. Mindestbesteuerung in Insolvenz- und sonstigen Liquidationsfällen

Die sog. Mindestbesteuerung ist auch in Insolvenz- und sonstigen Liquidationsfällen verfassungsgemäß. Ist die Abwicklung der Kapitalgesellschaft noch nicht abgeschlossen, besteht im weiteren Verlauf des Verfahrens die Möglichkeit einer Unternehmensfortführung, wodurch ein zukünftiger Verlustausgleich in den nachfolgenden Veranlagungszeiträumen in Aussicht steht.

Auch im mehrjährigen Besteuerungszeitraum der Abwicklung einer Kapitalgesellschaft (§ 11 Abs. 1 KStG) ist der sog. Sockelbetrag der Mindestbesteuerung von 1 Mio. Euro (§ 10d Abs. 2 S. 1 EStG) nur einmal und nicht mehrfach – für jedes Kalenderjahr des verlängerten Besteuerungszeitraums – anzusetzen.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte ist Insolvenzverwalter in dem zum 01.01.2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH. Das Finanzamt setzte die Körperschaftsteuer für die Streitjahre 2003 bis 2005 unter Hinweis auf eine Liquidationsbesteuerung (§ 11 KStG) (einheitlich) fest und berücksichtigte dabei den Sockelbetrag der Mindestbesteuerung von 1 Mio. Euro (§ 10d Abs. 2 S. 1 EStG) nur einmal und nicht mehrfach – für jedes Kalenderjahr des verlängerten Besteuerungszeitraums.

Die hiergegen erhobene Klage war erfolgreich. Das FG verdoppelte bei der Steuerberechnung mit Blick auf zwei Gewinnjahre im dreijährigen Besteuerungszeitraum den Grundabzugsbetrag von 1 Mio. Euro.

Entscheidung

Das FG hat den sog. Sockelbetrag im mehrjährigen Besteuerungszeitraum (§ 11 Abs. 1 S. 1 KStG 2002) zu Unrecht zweifach angesetzt.

Verluste, die weder im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung noch im Wege des Verlustrücktrags ausgeglichen werden konnten, sind im Rahmen des Verlustvortrags nur begrenzt verrechnungsfähig (§ 10d Abs. 2 S. 1 EStG). Sie können nur bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. Euro unbeschränkt abgezogen werden ("Sockelbetrag"). Darüber hinausgehende negative Einkünfte aus früheren Veranlagungszeiträumen sind nur in Höhe von 60 % des 1 Mio. Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte ausgleichsfähig. Im Ergebnis werden 40 % des positiven Gesamtbetrags der laufenden Einkünfte eines Veranlagungszeitraums unabhängig von etwaigen Verlusten in früheren Perioden der Besteuerung unterworfen, soweit sie die Schwelle von 1 Mio. Euro überschreiten.

Diese Regelung im Bereich der Einkommensteuer (sog. Mindestbesteuerung) ist auch bei der streitgegenständlichen Veranlagung der GmbH zur Körperschaftsteuer 2003 bis 2005 zu beachten. Da über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ist grundsätzlich der im Zeitraum von der Eröffnung bis zum Abschluss des Insolvenzverfahrens erzielte Gewinn der Besteuerung zu Grunde zu legen (§ 11 Abs. 1 S. 1 KStG 2002). Besteuerungszeitraum ist in diesem Fall nicht das einzelne Kalenderjahr, sondern der gesamte (Insolvenz-)Abwicklungszeitraum. Dieser Abwicklungszeitraum entspricht dem Veranlagungszeitraum. Auf dieser Grundlage darf beim Verlustausgleich der Sockelbetrag des § 10d Abs. 2 S. 1 EStG 2002 n.F. auch im mehrjährigen Besteuerungszeitraum nur einmal angesetzt werden.

Die Anwendung der sog. Mindestbesteuerung ist im Streitfall auch nicht nach verfassungsrechtlichen Maßgaben ausgeschlossen. Zwar könnte die Mindestbesteuerung in Insolvenz- und sonstigen Liquidationsfällen in den Kernbereich der Gewährung eines Verlustausgleichs in unverhältnismäßiger Weise einwirken (dies ist offengeblieben im BFH-Urteil vom 22.08.2012). Dies gilt aber jedenfalls dann nicht, wenn die Abwicklung der Kapitalgesellschaft noch nicht abgeschlossen ist. Denn insoweit besteht im weiteren Verlauf des Verfahrens die Möglichkeit einer Unternehmensfortführung, wodurch ein zukünftiger Verlustausgleich in den nachfolgenden Veranlagungszeiträumen in Aussicht steht.

Betroffene Norm
§ 11 Abs. 1 KStG, § 10d Abs. 2 S. 1 EStG
Streitjahre 2003 bis 2005

Anmerkungen
BFH-Urteil vom 21.09.2016 zu Billigkeit bei Mindestbesteuerung aufgrund von Buchgewinnen
Mit Urteil vom 21.09.2016, I R 65/14 NV (siehe Deloitte Tax-News) hat der BFH entschieden, dass die ausgelösten Folgen der Mindestbesteuerung auch im Falle von bloßen Buchgewinnen (steuerwirksame Teilwertaufholung nach einer steuerwirksam vorgenommenen Teilwertabschreibung) keinen Grund für eine abweichende Steuerfestsetzung im Billigkeitsverfahren darstellen.

BFH-Beschluss vom 26.02.2014 zu Definitivsituation und Billigkeitsmaßnahmen
Mit Beschluss vom 26.02.2014, I R 59/12 (siehe Deloitte Tax-News) hat der BFH dem BVerfG die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung bei Eintritt eines sog. Definitiveffekts vorgelegt. Für den Fall, dass der Verlustausgleich nicht versagt, sondern lediglich zeitlich gestreckt wird, geht der BFH weiterhin (vgl. BFH-Urteil vom 22.08.2012, I R 9/11, siehe Deloitte Tax-News) von der (grundsätzlichen) Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung aus.

Anders als im Urteil vom 20.09.2012, IV R 36/10 (siehe Deloitte Tax-News), ließ der BFH im Beschluss vom 26.02.2014 die Möglichkeit, in besonderen Härtefällen Billigkeitsmaßnahmen zu gewähren, nicht mehr ausreichen, um die Verfassungskonformität auch in Fällen eines Definitiveffekts zu bejahen.

Vorinstanz   
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 12.03.2012, 6 K 2199/09 K

Fundstelle
BFH, Urteil vom 23.01.2013, I R 35/12, BStBl II 2013, S. 508 

Weitere Fundstellen   
BFH, Urteil vom 21.09.2016, I R 65/14 NV, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Beschluss vom 26.02.2014, I R 59/12, siehe Deloitte Tax-News
BFH, Urteil vom 22.08.2012, I R 9/11, siehe Deloitte Tax-News 

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