Zurück zur Übersicht
30.01.2014
Unternehmensteuer

BFH: Inanspruchnahme aus Krisenbürgschaft als nachträgliche Anschaffungskosten

Der BFH hat die Auffassung des FG Düsseldorf bestätigt, wonach die Aufwendungen eines Gesellschafters im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme aus einer zugunsten seiner Gesellschaft eingegangen Bürgschaft als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Berechnung eines Auflösungsverlusts zu berücksichtigen sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter hatte.
BFH, Urteil vom 20.08.2013, IX R 1/13, nicht amtlich veröffentlicht
----------------------------------------------------------------------------------------

FG Düsseldorf:

Wird ein Gesellschafter aus einer zugunsten seiner Gesellschaft eingegangen Bürgschaft in Anspruch genommen, stellen die daraus resultierenden Aufwendungen bei der Ermittlung des Verlustes aus Auflösung der Gesellschaft nachträgliche Anschaffungskosten dar, sofern die Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter hatte. Befand sich die Gesellschaft im Zeitpunkt der Abgabe des Bürgschaftsversprechens in einer Krise – sog. Krisenbürgschaft –, ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn die Gesellschaft aus eigener Kraft ohne Verbürgung keinen Kredit zu marküblichen Konditionen hätte aufnehmen können.

Sachverhalt

Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der S-GmbH. Im Jahr 1999 gewährte die T-Bank der S-GmbH einen Kredit zur Finanzierung eines Wohnbauprojekts unter der Bedingung, dass der Kläger eine unbeschränkte selbstschuldnerische Bürgschaft zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten der S-GmbH gegenüber der T-Bank übernimmt. Infolge von Zahlungsschwierigkeiten der S-GmbH wurde der Kläger 2004 erstmals aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Im Streitjahr 2008 wurde die S-GmbH schließlich wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht.

Im Jahr 2008 erklärte der Kläger unter Berücksichtigung der Bürgschaftsinanspruchnahme einen Verlust aus der Auflösung der S-GmbH (§ 17 Abs. 4 EStG). Die Bürgschaft habe in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der bereits in 1999 eingetretenen Krise gestanden, so dass die Aufwendungen als nachträgliche Anschaffungskosten bei der Berechnung des Auflösungsverlustes zu berücksichtigen seien.

Das Finanzamt folgte dieser Auffassung nicht.

Entscheidung

Die Klage ist zulässig und begründet. Das Finanzamt hat die nachträglichen Anschaffungskosten, die aus der Bürgschaftsinanspruchnahme des Klägers resultieren, zu Unrecht nicht in die Berechnung des Auflösungsverlustes einbezogen.

Auflösungsverlust ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen (§ 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG). Der Begriff der Anschaffungskosten umfasst dabei neben den zum Erwerb der Beteiligung aufgewendeten Kosten auch nachträgliche Aufwendungen des Gesellschafters, soweit sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind (§ 17 Abs. 2 EStG). Zu den nachträglichen Anschaffungskosten gehören Aufwendungen aus der Inanspruchnahme einer Bürgschaft, die der Gesellschafter für die Kapitalgesellschaft eingegangen ist, sofern die Bürgschaft eigenkapitalersetzenden Charakter hatte (vgl. BFH-Urteil vom 12.12.2000). Als eigenkapitalersetzend ist eine Bürgschaftsverpflichtung u.a. dann anzusehen, wenn sie zu einem Zeitpunkt übernommen wurde, in dem sich die Gesellschaft bereits in der sog. Krise befand (sog. Krisenbürgschaft). Eine Gesellschaft befindet sich i.d.R. dann in der Krise, wenn sie kreditunwürdig ist, d.h. nicht mehr in der Lage ist unter Nutzung eigener Vermögenswerte als Kreditsicherheit, einen Kredit zu marktüblichen Konditionen zu erhalten (BGH-Urteil vom 24.03.1980; BFH-Urteil vom 10.11.1998). Allein aus dem Umstand, dass der Gesellschaft nur unter der Bedingung einer persönlichen Bürgschaft des Gesellschafters ein Kredit gewährt wird, kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die Gesellschaft kreditunwürdig ist. Darüber hinaus kommt es maßgeblich darauf an, ob die Gesellschaft über ausreichende Sicherheiten verfügt, um sich am Kapitalmarkt zu finanzieren.

Im Streitfall war die S-GmbH bereits im Jahr 1999 – als der Kläger die Bürgschaft einging – kreditunwürdig. Zum einen entsprach es der banküblichen Praxis der T-Bank bei Bauträgerfinanzierungen vom Gesellschafter-Geschäftsführer ein Bürgschaftsversprechen zu verlangen. Zum anderen wurden aber die Sicherheiten der S-GmbH als nicht ausreichend angesehen. Zwar lagen die nominal ermittelten Beleihungswerte der im Besitz der S-GmbH befindlichen Grundstücke über dem Betrag des beantragten Kredits, jedoch ist insbesondere vor dem Hintergrund erheblicher Unwägbarkeiten bei Bauträgervorhaben ein erhöhtes Absicherungsbedürfnis gerechtfertigt. Da die S-GmbH zum Zeitpunkt des Kreditantrags über eine im Verhältnis zum Kreditvolumen geringe Eigenkapitalausstattung verfügte und darüber hinaus keine Erfahrung auf dem Gebiet des Wohnungsbaus hatte, kann nicht von dem Bestehen ausreichender Sicherheiten ausgegangen werden. Für die Beurteilung, ob eine Sicherheit i.S.d. Eigenkapitalersatzrechts als ausreichend zu qualifizieren ist, ist auf die Sicht eines potentiellen Kreditgebers anhand der jeweiligen Umstände und unter Einbeziehung des individuellen Kreditrisikos im Zeitpunkt der Gewährung der möglicherweise eigenkapitalersetzenden Leistung abzustellen (BGH-Urteil vom 13.07.1992). Bei objektiver Betrachtungsweise und unter der Berücksichtigung der oben aufgeführten Umstände war die S-GmbH zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme als kreditunwürdig zu qualifizieren, da sie den beantragten Kredit lediglich zu 2/3 durch eigene Sicherheiten abdecken konnte. Damit handelte es sich bei der Bürgschaft durch den Kläger um eine sog. Krisenbürgschaft mit eigenkapitalersetzendem Charakter. Die Aufwendungen aus der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft sind folglich verlusterhöhend als Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Auflösungsverlustes zu berücksichtigen.

Betroffene Norm

§17 Abs. 4 EStG
Streitjahr 2008
 

Anmerkung

Die Revision war zugelassen worden, um zu klären, ob es für die Qualifizierung einer Bürgschaft als eigenkapitalersetzend ausreicht, dass nur die Hausbank einen Kredit nicht ohne zusätzliche Verbürgung durch den Gesellschafter vergibt oder ob feststehen (und festgestellt werden) muss, dass auch andere Banken keinen Kredit ohne Verbürgung vergeben hätten (so BGH-Urteil vom 28.09.1987).

Hierzu führt der BFH in seinem Urteil vom 20.08.2013 aus: Der BFH habe mit der Kategorie des funktionalen Eigenkapitals gegenüber der älteren Rechtsprechung des BGH eigenständige Kriterien entwickelt, welche die primär am Gläubigerschutz orientierten zivilrechtlichen Eigenkapitalersatzregeln als nicht allein ausschlaggebend ansähen (vgl. BFH, Urteil vom 19.08.2008, IX R 63/05, BFHE 222, S. 474), setze sich damit aber nicht in Widerspruch zur älteren Rechtsprechung des BGH, nach der es für die Annahme der Kreditunwürdigkeit einer Gesellschaft der Feststellung bedürfe, dass der Kredit außer von der finanzierenden Bank allgemein auf dem Kapitalmarkt nicht zu erlangen gewesen wäre (BGH-Urteile vom 28.09.1987 und vom 27.11.1989). Unbeschadet des Umstandes, dass der BGH dieser Feststellung keine absolute Bedeutung im Sinne einer notwendigen Bedingung beigemessen habe, habe er in jüngeren Entscheidungen nicht an diesem Kriterium festgehalten (vgl. BGH-Urteil vom 04.12.1995; in dem trotz vergleichbarer Fallgestaltung zur Bestimmung der Krise ausschließlich auf andere Kriterien abgestellt worden sei).

Fundstelle

BFH, Urteil vom 20.08.2013, IX R 1/13, nicht amtlich veröffentlicht
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2012, 13 K 180/11 E

Weitere Fundstellen
BFH, Urteil vom 12.12.2000, VIII R 22/92, BStBl II 2001, S. 385
BFH, Urteil vom 10.11.1998, VIII R 6/96, BStBl II 1999, S. 348
BGH, Urteil vom 04.12.1995, II ZR 281/94, NJW 1996, S. 720
BGH, Urteil vom 13.07.1992, II ZR 269/91, NJW 1992, S. 2891
BGH, Urteil vom 27.11.1989, II ZR 310/88, NJW 1990, S. 230
BGH, Urteil vom 28.09.1987, II ZR 28/87, NJW 1988, S. 824
BFH, Urteil vom 02.10.1984, VIII R 20/84, BStBl II 1985, S. 428
BGH, Urteil vom 24.03.1980, II ZR 213/77, BGHZ 76, S. 326

So werden Sie regelmäßig informiert:
Artikel teilen:
Diese Webseite verwendet Cookies, um Ihnen einen bedarfsgerechteren Service bereitstellen zu können. Indem Sie ohne Veränderungen Ihrer Standard-Browser-Einstellung weiterhin diese Seite besuchen, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden. Möchten Sie mehr Informationen zu den von uns verwendeten Cookies erhalten und erfahren, wie Sie den Einsatz unserer Cookies unterbinden können, lesen Sie bitte unsere Cookie Notice.