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11.05.2012
Unternehmensteuer

FG Münster: Verlustvorträge nach Branchenwechsel

Bei der Prüfung, ob nach einer schädlichen Anteilsübertragung eine überwiegende Zuführung von Betriebsvermögen vorliegt (§ 8 Abs. 4 KStG a.F.), ist bei einem Branchenwechsel neben dem Anlagevermögen auch das Umlaufvermögen in die Vergleichsbetrachtung mit einzubeziehen. Das Umlaufvermögen ist gerade dann ausschlaggebend, wenn es sich um durch Dienstleistungen selbst erwirtschaftete Forderungen handelt.

Sachverhalt

Nachdem die Klägerin, eine im Jahr 1980 gegründete GmbH mit dem Tätigkeitsfeld Ausführung von Tief- und Straßenarbeiten, erhebliche Verluste erzielte, wurde der werbende Geschäftsbetrieb zum 31.12.2002 eingestellt. Bis auf wenige Ausnahmen wurden die im Anlagevermögen vorhandenen Maschinen und ein Großteil der Betriebs- und Geschäftsausstattung verkauft. Zum 31.12.2002 wurden ein verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer und ein vortragsfähiger Gewerbeverlust festgestellt. Zum 30.12.2003 verkauften die Anteilseigner sämtliche Geschäftsanteile. Die neuen Gesellschafter der Klägerin änderten den Unternehmensgegenstand in eine Unternehmensberatung. Dem Betriebsvermögen wurde kein neues Anlagevermögen zugeführt; das Umlaufvermögen wurde durch selbst erwirtschaftete Forderungen aus Lieferung und Leistung enorm vermehrt. In den Streitjahren 2003 und 2004 wurden die steuerlichen Verlustvorträge geltend gemacht. 

Im Anschluss an eine Außenprüfung war das Finanzamt der Auffassung, dass die Klägerin ihre wirtschaftliche Identität verloren hat und damit die bisher festgestellten Verlustvorträge zu diesem Zeitpunkt untergegangen sind.

Entscheidung

Die vor Anteilsübertragung entstandenen Verlustvorträge können nicht abgezogen werden, da mehr als 50 % der Anteile übertragen wurden und überwiegend neues Betriebsvermögen zugeführt wurde. Somit ist nach § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG a.F. die wirtschaftliche Identität nicht mehr gegeben. Die Klage wurde abgewiesen.

Es wurden mehr als 50 % der Anteile an der Klägerin übertragen und sie hat ihren Geschäftsbetrieb mit überwiegend neuem Betriebsvermögen wieder aufgenommen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist unter dem Betriebsvermögen das Aktivvermögen zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 28.05.2008). Eine Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs mit überwiegend neuem Betriebsvermögen liegt daher vor, wenn das zugegangene Aktivvermögen den Bestand des vorher vorhandenen Restaktivvermögens übersteigt. Es ist ein (enger) sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen der schädlichen Anteilsübertragung und der Fortführung bzw. der Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs mit dem überwiegend neuen Betriebsvermögen erforderlich.

Im Streitfall ist es im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Anteilsübertragung zu einem Branchenwechsel von dem Straßen- und Tiefbaubetrieb zur Unternehmensberatung gekommen, sodass auch das Umlaufvermögen für die wirtschaftliche Identität der Klägerin prägend ist. Dabei sind nicht etwa lediglich angeschaffte Vorräte, sondern sämtliche von der Klägerin selbsterwirtschaftete Forderungen (als Forderungen aus Lieferung und Leistung) mit einzubeziehen. Für den Straßen- und Tiefbaubetrieb wurden in großem Umfang Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eingesetzt. Demgegenüber wurden nach der Anteilsübertragung ausschließlich Dienstleistungen erbracht, wodurch die selbst erwirtschafteten Forderungen aus Lieferung und Leistung zum Wesentlichen des Betriebsvermögens wurden. Jedenfalls die im ersten Jahr nach der Anteilsübertragung mit Beratungsleistungen erwirtschafteten Forderungen sind in die Vergleichsrechnung mit einzubeziehen. Im Streitfall übersteigen die Forderungen das restliche Vermögen, sodass eine überwiegende Betriebsvermögenszuführung vorliegt und der Verlustabzug zu versagen ist.

Die Revision wurde zugelassen (BFH-anhängig: I R 67/11). Obwohl es sich um ausgelaufenes Recht handelt, ist anzunehmen, dass die Frage für eine nicht unerhebliche Zahl noch anhängiger Verfahren von Bedeutung ist.

Betroffene Norm

§ 8 Abs. 4 KStG a. F., § 10d EStG, Streitjahre 2003 und 2004

Fundstelle

Finanzgericht Münster, Urteil vom 18.07.2011, 9 K 2404/09 K, G, BFH-anhängig: I R 67/11

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 28.05.2008, I R 87/07
BFH, Urteil vom 12.12.2007, X R 17/05, BStBl II 2008, S. 579
BMF, Schreiben vom 02.08.2007, BStBl I 2007, S. 624

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