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29.01.2010
Verfahrensrecht

Keine Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben bei Einspruchsrücknahme

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, hatte im Januar 2002 gegen den (einheitlich und gesonderten) Gewinnfeststellungsbescheid Einspruch eingelegt, da der zwischen ihr und ihrer Tochterkapitalgesellschaft geschlossene Gewinnabführungsvertrag nicht im Rahmen einer ertragsteuerlichen Organschaft berücksichtigt wurde. Wegen der Nichtanerkennung des Gewinnabführungsvertrages sind gegen die Körperschaftsteuerbescheide der GmbH Einsprüche eingelegt worden. Die Klägerin beantragte Ruhen des Verfahrens des Feststellungsbescheids bis die Einsprüche auf Ebene der GmbH entschieden sind. Das für die GmbH zuständige Finanzamt informierte das für die Klägerin zuständige Finanzamt im Juli 2004 über die Einspruchsentscheidung, wonach die ertragsteuerliche Organschaft zur GmbH & Co. KG anerkannt wurde, und erließ danach die entsprechenden Körperschaftsteuerbescheide. Die Klägerin nahm mit Schreiben aus November 2004 ihren Einspruch gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid zurück. Da die Klägerin nicht gem. § 174 AO zum Rechtsbehelfsverfahren der GmbH hinzugezogen wurde, änderte das Finanzamt im Mai 2005 den Feststellungbescheid gem. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO (Änderung mit Zustimmung oder auf Antrag des Steuerpflichtigen). Begründet wurde dies damit, dass sich aus der Einspruchsbegründung das ausdrückliche Einverständnis der Klägerin zur Erfassung der Erträge der GmbH bei Anerkennung der Organschaft bei ihr bestanden habe, woran sie nach Treu und Glauben auch gebunden bleibe. Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht der eingelegten Klage statt. Mit seiner Revision beantragte das Finanzamt das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO nicht vorlagen. Das Finanzgericht hat offengelassen, ob die Klägerin im Rahmen ihres Einspruchsschreibens einen Antrag i.S. von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO gestellt hat. Nach Ansicht des BFH ist das Finanzgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin selbst unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht gehindert war, ihren Einspruch zurückzunehmen und dabei auch eine möglicherweise erteilte Zustimmung oder einen Antrag i.S. von § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO zu widerrufen bzw. zurückzunehmen. Die Einspruchsrücknahme kann auch nicht als illoyale Rechtsausübung angegriffen werden. Dem Institut von Treu und Glauben kommt nicht die Funktion zu, verfahrensmäßige Fehler des Finanzamtes aufzufangen. Die Vorschriften des § 174 Abs. 4 und Abs. 5 AO hätten es dem Finanzamt ohne Weiteres ermöglichen können, die Klägerin in das Verfahren gegen die GmbH gerichteten Körperschaftsteuerbescheide hinzuzuziehen und auch ohne Antrag der Klägerin die rechtmäßige Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zu erreichen.

Vorinstanz

Finanzgericht Köln, Urteil vom 08.05.2007, 1 K 1988/06, EFG 2007, S. 1919.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 05.11.2009, IV R 40/07, BStBl II 2010, S. 720

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