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25.01.2013
Unternehmensteuer

BFH: Beteiligungsgrenze von 1 % für Anteilsveräußerungen im Privatvermögen ist verfassungsgemäß

Die Beteiligungsuntergrenze von 1 % für die Steuerbarkeit von Gewinnen aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 17 Abs. 1 S. 1 EStG) ist nicht verfassungswidrig. Die Wahl dieser Minimalgrenze ist von der Gestaltungsfreiheit und Typisierungsbefugnis des Steuergesetzgebers umfasst und verstößt damit nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Sachverhalt

Der Kläger war Gesellschafter einer AG, an deren Vermögen er seit der Gründung zwischen 4,9 % und 7 % beteiligt war. Im Streitjahr 2003 veräußerte der Kläger seine Anteile und erzielte daraus einen Veräußerungsgewinn, den das Finanzamt unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens als Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.v. § 17 EStG erfasste. Der Wertzuwachs, der auf den Zeitraum bis zum Tag der Verkündung des Steuersenkungsgesetzes entfiel, wurde von der Besteuerung ausgenommen. Der Hintergrund war die Einführung der 1%-Grenze in die Regelung des § 17 Abs. 1 S. 1 EStG im Rahmen des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die in 2003 angefallenen Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf der Aktien der AG nicht hätten versteuert werden dürfen, da die Regelung des § 17 Abs. 1 S. 1 EStG gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße und verfassungswidrig sei.

Entscheidung

Der BFH erachtet § 17 Abs. 1 S. 1 EStG und damit die 1%-Grenze für verfassungsgemäß.

Gewinne aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft sind nach § 17 Abs. 1 S. 1 EStG steuerpflichtig, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft zu mindestens 1 % beteiligt war.

Art. 3 Abs. 1 GG begrenzt die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit im Bereich des Steuerrechts in einer speziell diesem Regelungsgegenstand Rechnung tragenden Weise (BVerfG-Urteil vom 09.12.2008). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, wird vor allem durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. 

Die Entscheidung, ob Gewinne aus der Veräußerung von Gegenständen des Privatvermögens besteuert werden, ist eine politische und liegt nach den oben genannten Grundsätzen im Rahmen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums (vgl. BVerfG-Urteil vom 09.07.1969).

Mit der Einführung der 1%-Grenze trifft der Gesetzgeber eine neue Systementscheidung. Entsprechend der Gesetzesbegründung, kommt § 17 EStG nunmehr die Funktion zu, grundsätzlich sicherzustellen, dass es nicht durch Veräußerung der Beteiligung möglich ist, die Halbeinkünftebesteuerung auf der Ebene des Anteilseigners, der seine Anteile nicht in einem Betriebsvermögen hält, zu vermeiden (BT-Drs. 14/3366, S. 118). Die Minimalgrenze von 1 % soll Steuerumgehungen vermeiden (BT-Drs. 14/2683, S. 114) und ist von der Gestaltungsfreiheit und Typisierungsbefugnis des Steuergesetzgebers umfasst. Darüber hinaus fügt sich diese typisierende tatbestandliche Abbildung einer Minimalgrenze für den Steuerzugriff in die bisherige Struktur des § 17 EStG ein und ermöglicht eine klare Differenzierung für den Gesetzesvollzug.

Die 1%-Grenze überschreitet den Rahmen der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit nicht und ist damit verfassungsgemäß.

Auch die steuerliche Erfassung der Wertsteigerung von der Gesetzesverkündung am 26.10.200 bis zum Inkrafttreten der 1%-Grenze am 01.01.2002 ist nicht zu beanstanden. Zwar hat das BVerfG mit Beschluss vom 07.07.2010 entschieden, dass die rückwirkende Absenkung der Beteiligungsquote bei der Besteuerung privater Veräußerungen von Kapitalanteilen durch § 17 Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 S. 1 EStG i. d. F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 mit belastenden Folgen einer unechten Rückwirkung verbunden waren, die zum Teil den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes widersprechen. Eine Gleichheitswidrigkeit im Hinblick auf Wertsteigerungen zwischen Verkündung und Inkrafttreten der neuen Rechtslage hat das BVerfG jedoch nicht angenommen. Insofern liegt vielmehr ein Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, als gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.

Betroffene Norm
§ 17 Abs. 1 S. 1 EStG, Art. 3 Abs. 1 GG
Streitjahr 2003

Vorinstanz
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 06.10.2011, 8 K 3811/09 E, EFG 2012, S. 516

Fundstelle
BFH, Urteil vom 24.10.2012, IX R 36/11, BStBl II 2013, S. 164 

Weitere Fundstellen
BVerfG, Urteil vom 09.07.1969 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, S. 302
BVerfG, Urteile vom 09.12.2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BGBl I 2008, S. 2888
BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010, 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127, S. 61, siehe Deloitte Tax-News
Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000, BGBl I 2000, S. 1433

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