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23.07.2013
Indirekte Steuern/Zoll

BFH: Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug

Einer Holdinggesellschaft steht höchstens ein hälftiger Vorsteuerabzug aus den Gemeinkosten zu, wenn ihr Hauptzweck das Halten von Beteiligungen ist und sie nur als Nebenzweck entgeltliche Leistungen erbringt - Der Erwerb und die Einziehung zahlungsgestörter Forderungen stellt keine entgeltliche Leistung an den Forderungsverkäufer dar, sodass der Forderungserwerber aus diesen Eingangsleistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist - EuGH-Vorlage zum Vorsteuerabzug aus Strafverteidigerkosten und zum Leistungsbezug durch mehrere Empfänger

Sachverhalte

In drei zeitgleich veröffentlichten Entscheidungen hat sich der BFH mit den Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs befasst:

V R 40/10: Hälftiger Vorsteuerabzug für Holdinggesellschaften 
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war eine Holdinggesellschaft, die über einen umfangreichen Beteiligungsbesitz verfügte und daneben auch entgeltliche Dienstleistungen erbrachte. Im Streitjahr 2004 veräußerte eine Tochtergesellschaft der Klägerin ihre Beteiligung. Hierfür bezog die Klägerin steuerpflichtige Rechtsberatungsleistungen, für die sie den vollen Vorsteuerabzug geltend machte. Das Finanzamt ging von einer Vorsteuerquote von 75 % aus und gewährte daher einen entsprechend geringeren Vorsteuerabzug. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Streitig ist, in welcher Höhe die Holdinggesellschaft den Vorsteuerabzug aus Gemeinkosten geltend machen kann.

V R 18/08: Kein Vorsteuerabzug bei Erwerb und Einziehung zahlungsgestörter Forderungen 
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat von einer Bank zahlungsgestörte Forderungen aus 70 gekündigten und fällig gestellten Darlehensverträgen (non-performing loans) erworben. Der Kaufpreis für die Forderungen betrug 51,8 % des Nennwertes. Die Klägerin war der Auffassung, dass der Forderungserwerber keine umsatzsteuerpflichtige Leistung an den Forderungsverkäufer erbringt. Das Finanzamt behandelte die Leistung als umsatzsteuerpflichtig. Das FG gab der Klage statt. Anders als beim echten Factoring führe die Übertragung zahlungsgestörter Forderungen nicht zu einer umsatzsteuerpflichtigen Leistung an den Verkäufer. Das Finanzamt legte Revision ein, der BFH hatte das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.

V R 29/10: Vorlagebeschluss: Vorsteuer aus Strafverteidigerkosten 
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war Einzelunternehmer und Mehrheitsgesellschafter der GmbH. Der Kläger und X waren Geschäftsführer der GmbH, die steuerpflichtige Bauleistungen gegen Entgelt erbrachte. P war Prokurist. Zwischen dem Kläger und der GmbH bestand umsatzsteuerliche Organschaft. Nachdem die GmbH einen Bauauftrag erhalten und diesen gegen Entgelt steuerpflichtig ausgeführt hatte, wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Kläger und P eröffnet. Die GmbH habe für die Erlangung von Informationen Zuwendungen geleistet, die strafrechtlich als "Bestechung" oder Beihilfe durch den Kläger, X und P und für den Zuwendungsempfänger als "Bestechlichkeit" zu würdigen seien. Die gegen den Kläger und gegen P eröffneten Strafverfahren wurden gegen Zahlung von Geldbeträgen eingestellt. Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurden der Kläger und P durch Rechtsanwälte vertreten. Auftraggeber der Rechtsanwälte war die GmbH. Aus den an die GmbH adressierten Rechnungen der Rechtsanwälte nahm der Kläger als Organträger der GmbH im Streitjahr 2005 den Vorsteuerabzug vor.

Entscheidungen

V R 40/10: Hälftiger Vorsteuerabzug für Holdinggesellschaften 
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Klägerin über den vom Finanzamt anerkannten Vorsteuerabzug hinaus kein weiter gehender Anspruch auf Vorsteuerabzug zusteht. Eine Holdinggesellschaft, deren Hauptzweck das Halten von Beteiligungen ist und die entgeltliche Leistungen nur als Nebenzweck erbringt, kann höchstens zum hälftigen Vorsteuerabzug aus den Gemeinkosten berechtigt sein. 

Der Unternehmer ist zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt. Im Hinblick auf den weiter erforderlichen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz ist entsprechend den Grundsatzurteilen des BFH zum Verhältnis Vorsteuerabzug und Entnahmebesteuerung (Urteile vom 09.12.2010, 13.01.2011 und 27.01.2011) zu differenzieren. Im Streitfall war die Klägerin sowohl wirtschaftlich (unternehmerisch) als auch nichtwirtschaftlich (nichtunternehmerisch) tätig. Es ist davon auszugehen, dass das nichtwirtschaftliche Halten von Beteiligungen die Haupttätigkeit und das Erbringen entgeltlicher Leistungen nur eine Nebentätigkeit der Klägerin war. Unter Berücksichtigung von Haupt- und Nebentätigkeit der Klägerin kommt im Streitfall allenfalls ein hälftiger Vorsteuerabzug aus den Gemeinkosten in Betracht. Danach war die vom Finanzamt vorgenommene Schätzung einer Vorsteuerquote von 75 % nicht sachgerecht, sondern führte zu einem überhöhten Vorsteuerabzug. Im Hinblick auf diesen überhöht gewährten Vorsteuerabzug aus den Gemeinkosten kam es auf die Frage, ob die Klägerin aus den an die Tochtergesellschaft weiterbelasteten Kosten der Beteiligungsveräußerung zu einem weiteren Vorsteuerabzug berechtigt war, nicht mehr an. Es kann offen bleiben, in welcher Höhe im Streitfall ein anteiliger Vorsteuerabzug das Verhältnis zwischen wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeit objektiv widerspiegelt. 

V R 18/08: Kein Vorsteuerabzug bei Erwerb und Einziehung zahlungsgestörter Forderungen 
Das FG hat zwar zu Recht entschieden, dass die Klägerin mit dem Ankauf der Forderungen keine steuerpflichtige Leistung an den Forderungsverkäufer erbracht hat. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif, da das FG keine Feststellungen zur Frage eines Steuerausweises in einer Rechnung und zum Vorsteuerabzug getroffen hat. 

Der EuGH hat die Vorlagefrage, ob beim Verkauf (Kauf) zahlungsgestörter Forderungen aufgrund der Übernahme von Forderungseinzug und Ausfallrisiko auch dann eine entgeltliche Leistung und eine wirtschaftliche Tätigkeit des Forderungskäufers vorliegt, wenn sich der Kaufpreis nach dem für die jeweilige Forderung geschätzten Ausfallrisiko richtet und dem Forderungseinzug im Verhältnis zu dem auf das Ausfallrisiko entfallenden Abschlag nur untergeordnete Bedeutung zukommt, mit der Begründung verneint, dass der Erwerber der Forderungen vom Veräußerer keine Gegenleistung erhält, so dass er weder eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt noch eine Dienstleistung erbringt. Anders als bei der Factoringgebühr und der Delkrederegebühr, die der Factor erhält, stellt diese Differenz im Ausgangsrechtsstreit jedoch keine Vergütung dar, mit der unmittelbar eine vom Käufer der veräußerten Forderungen erbrachte Dienstleistung entgolten werden soll. Die Differenz zwischen dem Nennwert der übertragenen Forderungen und deren Kaufpreis stellt nicht die Gegenleistung für eine solche Dienstleistung dar, sondern spiegelt den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert dieser Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung wider, der auf die Zahlungsstörungen und ein erhöhtes Risiko des Ausfalls der Schuldner zurückzuführen ist. Der EuGH hat damit eine entgeltliche Leistung abgelehnt (EuGH-Urteil vom 27.10.2011). Im Zusammenhang mit dem Erwerb der Forderungen ist somit kein Abzug der Vorsteuer möglich.

Im Hinblick auf den in Frage stehenden Steuerausweis in einer Rechnung und den Vorsteuerabzug ist die Sache nicht spruchreif. Hat die Klägerin für den Erwerb der Forderungen eine Rechnung mit Steuerausweis erteilt, schuldet sie die in dieser Rechnung ausgewiesene Steuer nach § 14c UStG. Eine Rechnungsberichtigung wäre nur zu berücksichtigen, wenn sie noch im Streitjahr erfolgt wäre. Eine erst spätere Rechnungsberichtigung wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung zurück (BFH-Urteil vom 01.02.2001). Sollte im Streitfall keine Steuerschuld nach § 14c UStG vorliegen, ist zu prüfen, ob die Klägerin im Streitjahr einen Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) für den Erwerb der Forderungen und deren Einziehung zu Unrecht in Anspruch genommen hat. 

V R 29/10: Vorlagebeschluss: Vorsteuer aus Strafverteidigerkosten 
Dem EuGH wird die Frage vorgelegt, ob ein Unternehmen, dessen Inhaber und Mitarbeiter sich zur Erlangung von Aufträgen möglicherweise wegen Bestechung oder Vorteilsgewährung strafbar gemacht haben, aus den zur Abwehr dieser Vorwürfe angefallenen Strafverteidigungskosten zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Für den Vorsteuerabzug spricht, dass die möglicherweise strafbaren Handlungen dazu dienten, die steuerpflichtige Umsatztätigkeit des Unternehmens zu fördern. Dagegen könnte angeführt werden, dass die Leistungen der Strafverteidiger unmittelbar nur den persönlichen Interessen der Beschuldigten dienten. Das Interesse des Unternehmens an der Straffreiheit seines Inhabers und seiner Mitarbeiter könnte dann als nur mittelbarer Zusammenhang für den Vorsteuerabzug unbeachtlich sein. Geklärt werden soll auch, wer bei einer Beauftragung durch mehrere Auftraggeber (hier: Beschuldigter und Unternehmen) zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. 

Im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 21.02.2013 hat der BFH entschieden, dass Anwaltsdienstleistungen, deren Zweck darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen zu vermeiden, die Geschäftsführer eines steuerpflichtigen Unternehmens sind, keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug eröffnen.
BFH, Urteil vom 11.04.2013, V R 29/10, siehe Deloitte Tax-News
EuGH, Urteil vom 21.02.2013, C-104/12

Betroffene Norm

§ 15 UStG
Streitjahre 2004 und 2005

Vorinstanzen

Finanzgericht München, Urteil vom 28.01.2009, 3 K 3141/05, EFG 2009, S. 1153 zu V R 40/10
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.02.2008, 1 K 3682/05 U, EFG 2008, S. 887 zu V R 18/08, Beitrag in den Deloitte Tax-News 
Finanzgericht Köln, Urteil vom 30.06.2009, 8 K 1265/07, EFG 2011, S. 192 zu V R 29/10

Fundstellen

BFH, Urteil vom 09.02.2012, V R 40/10, BStBl II 2012, S. 844
BFH, Urteil vom 26.01.2012, V R 18/08
BFH, Beschluss vom 22.12.2011, V R 29/10, BStBl II 2012, S. 441

Weitere Fundstellen

BFH, Urteil vom 27.01.2011, V R 38/09, BStBl II 2012, S. 68
BFH, Urteil vom 09.12.2010, V R 17/10, BStBl II 2012, S. 53
BFH, Urteil vom 13.01.2011, V R 12/08, BStBl II 2012, S. 61, siehe Deloitte Tax-News 
EuGH, Urteil vom 27.10.2011, C-93/10, GFKL, DStR 2011, S. 2093
BFH, Urteil vom 01.02.2001, V R 23/00, BStBl II 2003, S. 673

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