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30.06.2016
Unternehmensteuer

FG Münster: Übertragung § 6b-Rücklage auch vor Fertigstellung Reinvestitions-Wirtschaftsgut zulässig

Der BFH hat der Auffassung des FG Münster widersprochen.
BFH, Urteil vom 22.11.2018, VI R 50/16, siehe Deloitte Tax-News 
                                                                                                                                              

FG Münster (Vorinstanz)

Eine § 6b-Rücklage kann bereits in einem Wirtschaftsjahr vor der Fertigstellung des Reinvestitions-Wirtschaftsguts auf einen anderen Betrieb desselben Steuerpflichtigen übertragen werden (entgegen R 6b.2 Abs. 8 S. 3 EStR).

Sachverhalt

Die Eltern des Klägers unterhielten einen landwirtschaftlichen Betrieb und waren daneben als Kommanditisten an der A-GmbH & Co. KG beteiligt. Im Wirtschaftsjahr 2005/06 erzielten sie im landwirtschaftlichen Betrieb einen Gewinn aus der Veräußerung von Grund und Boden, wofür sie eine Rücklage nach §§ 6c, 6b EStG bildeten. Den landwirtschaftlichen Betrieb übertrugen die Eltern am 30.12.2006 unentgeltlich auf den Kläger. Die Rücklage wiesen sie zum 31.12.2006 in ihrer Sonderbilanz bei der KG aus und zogen sie im Folgejahr von den Anschaffungskosten eines im Jahr 2007 fertiggestellten und als Sonderbetriebsvermögen erfassten Gebäudes ab.

Das Finanzamt hielt die Übertragung der Rücklage im Jahr vor der Fertigstellung des Reinvestitions-Wirtschaftsguts unter Hinweis auf die Einkommensteuerrichtlinien nicht für zulässig. Im Jahr 2007 sei eine Übertragung der Rücklage aufgrund des Wechsels des Betriebsinhabers nicht mehr möglich gewesen. Dementsprechend sei die Rücklage im landwirtschaftlichen Betrieb verblieben und im Wirtschaftsjahr 2009/10 beim Kläger gewinnerhöhend aufzulösen. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.

Entscheidung

Das Finanzamt habe zu Unrecht die nach § 6c Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 6b Abs. 3 EStG gebildete Rücklage gewinnwirksam nach § 6b Abs. 3 S. 5, Abs. 7 EStG im landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers aufgelöst.

Nach Ansicht des FG haben die Eltern des Klägers die Rücklage im Jahr 2006 wirksam aus dem landwirtschaftlichen Betrieb in ihr Sonderbetriebsvermögen bei der A-GmbH & Co. KG übertragen, sodass die Rücklage am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres gar nicht mehr im landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers vorhanden gewesen sei. Gem. R 6b.2 Abs. 8 Satz 3 EStR kann eine nach § 6b Abs. 3 oder Abs. 10 EStG gebildete Rücklage auf einen anderen Betrieb erst in dem Wirtschaftsjahr übertragen werden, in dem der Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei den Wirtschaftsgütern des anderen Betriebes vorgenommen wird. Für diese zeitliche Einschränkung in R 6b.2 Abs. 8 S. 3 EStR gebe es keine Grundlage im Gesetz. Vielmehr müsse eine Übertragung der Rücklage bereits zeitlich vor einem Abzug und grundsätzlich sogar unabhängig von einem Abzug von den Anschaffungs- und Herstellungskosten im anderen Betrieb möglich sein. Jedenfalls müsse die Übertragung einer Rücklage dann möglich sein, wenn – wie im Streitfall – im Zeitpunkt der Übertragung bereits mit der Herstellung des Wirtschaftsgutes begonnen worden ist.

Auch stehe § 6b Abs. 4 S. 2 EStG der Übertragung der Rücklage nicht entgegen. Die Vorschrift schließe zwar die Übertragung einer Rücklage aus dem Gewinn bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines Gewerbebetriebs auf Wirtschaftsgüter eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes oder auf Wirtschaftsgüter, die der selbständigen Arbeit dienen, aus. Aus dem Umkehrschluss zu § 6b Abs. 4 S. 2 EStG ergebe sich aber, dass eine Übertragung stiller Reserven, die bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs oder eines Betriebs im Rahmen der Einkunftsart „selbständige Arbeit“ aufgedeckt worden sind, auf Wirtschaftsgüter anderer Betriebe im Rahmen dieser Einkünfte oder auf Wirtschaftsgüter eines Gewerbebetriebes ebenso zulässig ist wie die Übertragung der bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines Gewerbebetriebes aufgedeckten stillen Reserven auf Wirtschaftsgüter eines anderen Gewerbebetriebes. Die Vorschrift des § 6b Abs. 4 S. 2 EStG solle (lediglich) verhindern, dass gewerbliche Gewinne durch Verlagerung auf nicht gewerbesteuerpflichtige Betriebe endgültig der Gewerbesteuer entzogen würden (BFH-Urteil vom 30.08.2012).

Abgesehen davon, dass die Missbrauchsvermeidungsvorschrift des R 6b.2 Abs. 8 S. 3 EStR keine Stütze im Gesetz finde, gebe es schließlich im Streitfall ohnehin keine Anhaltspunkte für einen Missbrauch.

Betroffene Normen

§§ 6b, 6c EStG, R 6b.2 Abs. 8 S. 3 EStR

Streitjahr 2009

Fundstellen

BFH, Urteil vom 22.11.2018, VI R 50/16, siehe Deloitte Tax-News 

Finanzgericht Münster, Urteil vom 13.05.2016, 7 K 716/13 E

Weitere Fundstelle

BFH, Urteil vom 30.08.2012, IV R 28/09, BStBl. II 2012, S. 877, siehe Deloitte Tax-News

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